Oberkatz. Ricke ist längst ein Profi: Das 12 Jahre alte Fleckvieh läuft, geschmückt mit einem Blumenkranz, souverän im Umzug beim 8. Weideabtrieb mit. Ihre Herdengenossinnen sind nicht so zahm: Sie drängeln am Samstag von der Lohen Löhr herunter zur Mitteldelle. Und wundern sich über die vielen, vielen Zuschauer.

Der Weideabtrieb ist auch diesmal ein Publikumsmagnet. Das schöne Wetter tut sein Übriges, dass sich entlang des Schäferweges Hunderte Besucher drängen. Sie wollen nicht nur die rund 40 Kühe und Kälber sehen, die nach dem Weidejahr wieder ins Dorf zurückkehren. Nein, sie wissen, dass Oberkatz noch viel mehr zum Gucken und Verweilen bietet: Den Kühen folgt ein bunter Umzug, der das Auge erfreut, aber auch zum Nachdenken anregt: Schon bei der Moderation des Umzuges macht Volker Scheidler klar, dass hier, wo der Weideabtrieb stattfindet und noch Kuhfladen den Asphalt zieren, einmal die neue Rhöntrasse verlaufen soll. Die Oberkätzer haben es auf die Straße geschrieben und auf jede Menge Plakate im Umzug. „Kommt die Ortsumgehung hierher, gibt es keinen Weideabtrieb mehr“, steht da, oder „Menschen, Pflanzen und Getier wollen keine Straße hier – bye bye, schöne Rhön“, „Ortsumgehung – ja , Südvariante – nein!“. Aber auch auf die niedrigen Milchpreise machen die Bauern aufmerksam. Auf Wagen und Hängern prangen die Schilder: „Sind die Bauern gestorben, dann fragt ihr zum Schluss, wer hält uns jetzt die Landschaft in Schuss?“, „Der EU sei Dank gehen wir aufs Arbeitsamt“ oder „Bringt man den Bauern um sein täglich Brot, gab’s lange keine Hungersnot!“ Gefordert wird auch eine „Wende in der Milchpolitik“.


Den durchaus ernsten Hintergrund, die Verbundenheit zur Heimat, zur Rhön, dürften die Besucher spüren, auch wenn beim Weideabtrieb der Spaß im Vordergrund steht. Gerhard Pichl aus Stepfershausen hat seine Ziegen mitgebracht, die Jäger, die Reiter und die Schäfer sind im Zug, die Kirmesgesellschaft, jede Menge Trachten, Wilmar Abt mit einer Gruppe und dem Schifferklavier. Technik fährt mit und sogar Kids im Mini-Schlepper. Inge Grund hat sich mit Blumen dekoriert und eine Puppe in die Kütz gesetzt. Die Yaks aus Ehrenberg sorgen für Aufsehen mit ihren gewaltigen Schädeln. Pfarrer Greinke läuft mit einer Gesellschaft im Zug mit, das Erntedankfest symbolisierend. Erstmals hat es in diesem Jahr einen Gottesdienst im Freien am Katzbachhaus am Morgen des Weideabtriebes gegeben. Sehr gut besucht ist er. Der anschließende Gesang des Männerchores Stepfershausen erfüllt nicht nur die Herzen, sondern füllt auch den Spendenbeutel für die Sanierung der Oberkätzer Orgel: 170 Euro kommen zusammen, denn die Sänger verzichten auf einen Obolus. Bald verkauft sind die Klöße und der Gulasch zum Mittag.

Die Vereine – Senioren- und Frauenverein sowie Feuerwehr und Jugendklub – mit vielen anderen freiwilligen Helfern haben vorgesorgt, dass auch nach dem Marsch der Rederschen und Leutbecherschen Kühe zur Mitteldelle die Besucher noch viel erleben: Da gibt es Musik mit den Werratalmusikanten im Katzbachhaus, mit den Kaltennordheimer Spatzen draußen. Zu essen und zu trinken gibt es genügend. Das Backhaus hatte vorher gedampft, nun dampft der Rost. Achim Unbehaun, Schmied aus Helmershausen, beschlägt Pferde, die Oberkätzer Männer lassen die Dreschflegel sausen, Yak-Willi sorgt für Spaß beim Kindereinfangen per Lasso und mit seinen zwei Hunden. Für die Kinder der Renner: die Strohhüpfburg. Die Jäger-Ausstellung wird betrachtet, bei Brigitte Ansorg auch Kräutlein. Beim Wettmelken und beim Kuhroulette gibt es Spaß und Spannung. Ricke lässt schon nach ein paar Metern etwas fallen und beschert einer Familie aus dem Wartburgkreis einen Rehbraten. Bürgermeisterin Ilse Reder ist wieder einmal zu Recht stolz auf die Oberkätzer als Gastgeber – auch wenn am Abend alle geschafft sind. (fr)