Junge Menschen zieht es in die Welt. Zum Reisen, zum Lernen oder Arbeiten. Die Fremde verspricht oft interessantere, lukrativere Jobs. So verliert Thüringen Jahr für Jahr tausende gut ausgebildete junge Leute. Es gibt aber auch diejenigen, die in die Heimat zurückkehren, wenn sie beruflich Fuß fassen können. Oder Menschen, die bewusst hierbleiben, und sogar Zugewanderte, die sich für Thüringen als neue Heimat entschieden haben. All solche wollen wir in unserer neuen Serie „Hiergeblieben!“ vorstellen. Heute: Jennifer Sauerbrey (23) aus Meiningen.

I st sie die Lehrerin oder eine Schülerin? Wenn Jennifer Sauerbrey neben ihren Schützlingen in „Schäfchens Fahrschule“ steht, kann man die Frage so ohne Weiteres nicht beantworten. Oft überragen sie die 17-jährigen Fahranfänger. Die zierliche Blondine sieht nicht nur jung aus – sie ist es auch. Doch besitzt sie mit ihren 23 Jahren immerhin schon zwei Jahre Berufserfahrung. Sie zählt zu den wenigen Frauen ihrer Branche. Obendrein ist sie die jüngste Fahrschullehrerin – jedenfalls in Südthüringen. Für Jennifer, die in Hümpfershausen und Aschenhausen aufwuchs, gab es nie einen anderen Berufswunsch. Wie sie darauf kam? „Dafür habe ich mich schon als kleines Mädchen interessiert. Wie toll der Beruf ist, sah ich bei meinem Vater, der selbst als Fahrlehrer arbeitet. Ich liebe das Autofahren und habe großen Spaß dran, das anderen beizubringen. Außerdem lernt man viele unterschiedliche Leute kennen. Das macht es so spannend“, schwärmt die junge Frau.

„Fahren liegt mir im Blut“

Eigentlich sollte man 23 Jahre alt sein, um Fahrschullehrer zu werden. Solange aber wollte Jennifer nicht warten. Zunächst lernte sie Bürokauffrau, denn eine abgeschlossene Lehre ist Voraussetzung für den Fahrlehrerschein. Natürlich musste sie 2004 zunächst selbst die Schulbank einer Fahrschule drücken. Was lag näher, als das beim eigenen Vater in der Fahrschule Weber & Sauerbrey zu tun. „Er war zu mir strenger, als zu den anderen. Nach dem Motto: Die eigene Tochter muss das erst recht können“, kann sie heute darüber lachen. Besonders viele Fahrstunden hat sie in dem Golf IV aber nicht gebraucht: „Ich glaube, das Fahren liegt mir im Blut.“
Mit Führerschein und Lehrabschluss in der Tasche war Jennifer noch immer viel zu jung für den Lehrerschein. So folgten eineinhalb Jahre Arbeitslosigkeit: „Bei einem Versicherer hätte ich arbeiten können, das wollte ich aber nicht.“
Endlich konnte sie mit 21 beim Landesverwaltungsamt wegen einer Ausnahmeregelung anklopfen, um vorzeitig ihren Traumberuf erlernen zu können. „Und es hat geklappt: Ich konnte in der Verkehrsakademie Zella-Mehlis meine Ausbildung beginnen.“
Mit ihr wagten zwei weitere Frauen aus Bayern und Sachsen-Anhalt den Einstieg in die von Männern dominierte Branche. „Mir war vorher nicht bewusst, dass man soviel über Technik wissen muss. Das Interesse daran kam erst mit der Ausbildung“, erzählt Jennifer und auch, dass es sie heute nicht mehr aus der Ruhe bringt, wenn männliche Schüler sie mit sehr speziellen Technikfragen konfrontieren, um sie aufs Glatteis zu führen. „Vieles kann ich beantworten. Und wenn mal nicht, erinnere ich sie daran, dass es sich um eine Fahrschul- und keine Kfz-Mechaniker-Ausbildung handelt.“

Nach einem halben Jahr Schule hatte sie damals drei Prüfungen abzulegen. „Ich musste in einem Pkw mit Anhänger durch Erfurt fahren. Darauf folgten eine schriftliche und eine mündliche Prüfung – dann gab es den vorläufigen Fahrlehrerschein“, zählt sie auf. Die abschließende halbjährige Praxisausbildung führte sie wieder in die väterliche Fahrschule.

Und dann der Berufsstart im väterlichen Unternehmen? „Ich habe von vornherein gesagt: Ich will nicht bei meinem Vater arbeiten, sondern wissen, wie es in anderen Fahrschulen läuft. Deshalb habe ich das vorige Jahr komplett in Weimar verbracht, wo es eine freie Stelle gab, und dadurch mal eine ganz andere Stadt kennengelernt.“ Ihr Freund, ein gelernter Kfz-Mechaniker, der in Erfurt als Maschineneinrichter arbeitet, hatte sie schon in der Ausbildung unterstützt. Er stärkte ihr auch den Rücken, als sie die Südthüringer Provinz verließ.

Schneller denken

Anfangs hielt sie die Arbeit mit den Fahranfängern für „ganz schön gefährlich. Oft hätte ich mir ein zweites Lenkrad gewünscht. Aber mit der Zeit merkte ich, dass ich ja doch was tun kann. Einige gefährliche Situationen habe ich schon abgewendet. Man darf nur keine Angst haben. Ich muss eben schneller denken als meine Schüler und das klappt auch gut!“

Jennifer lernte, sich in der fremden Stadt zurechtzufinden, die noch nahe genug der Heimat war, und schaffte es, sich gegenüber den Schülern zu behaupten. „Nur ältere Männer lassen sich nichts von mir sagen. Das habe ich in Weimar erfahren“, bemerkt sie mit einem Schulterzucken. „Das geht mir nicht anders“, tröstet sie Frank Schäfer, ihr heutiger Chef.

„Ich hatte vor, in Weimar zu bleiben“, erzählt Jennifer. Bis das Angebot aus Meiningen kam, von „Schäfchens Fahrschule“, die sie aus ihrer Ausbildungszeit in guter Erinnerung hatte. „Ich habe dort den Lkw-Führerschein gemacht. Als Frank Schäfer Anfang dieses Jahres einen Fahrlehrer suchte, habe ich schnell Ja gesagt.“

Jetzt ist sie also zurück, lebt in Meiningen, arbeitet in Meiningen beziehungsweise der Außenstelle Wasungen und ist sehr glücklich damit. Neben der Pkw-Fahrschule darf sie mittlerweile Motorrad-Unterricht geben. Trotz des ungeregelten Tagesablaufs, der oft langen Arbeitstage, die sich im Sommer durchaus bis 24 Uhr hinziehen können, weiß Jennifer heute: „Das ist definitiv mein Traumberuf. Ich möchte in meinem Lebens nichts anderes mehr machen.“

Mit ihrem Enthusiasmus bringt sie selbst ihren Chef zum Staunen. „Ich will nicht irgendein Fahrlehrer sein, nicht einer von vielen, sondern die Beste. Es soll sich rumsprechen, dass ich mir große Mühe gebe“, betont sie.

Offenbar hat sie sich bereits ins Gespräch gebracht. Denn die freundliche, hübsche blonde Lehrerin war schon für so manchen jungen Mann Anlass, sich für die Fahrausbildung anzumelden. Als Schüler zeigen sie dann aber durchaus Respekt. „Rumgebaggert wird da nicht“, konstatiert Jennifer erleichtert. Die skeptisch reagieren, weil ihnen eine Frau am Steuer das Fahren beibringen will, denen beweist sie „dass ich es genauso kann“. „Oft erleben die einen Überraschungseffekt und sagen dann: Das hat die echt gut gemacht“, weiß Frank Schäfer.

Ob sie auch in den Westen gegangen wäre? „Wegen der Arbeit wahrscheinlich schon. Schweren Herzens, wenn ich hier gar nichts gefunden hätte. Ich wollte aber eigentlich nie weiter weg“, gibt sie zu. Umso mehr freut es sie, dass sich daheim eine Perspektive aufgetan hat. „Hier kenne ich mich aus, habe ich meinen Freundeskreis und jede Menge Bekannte. In einer Pause weiß ich sofort, wohin ich mal zum Kaffeetrinken gehen kann. Selbst in Weimar war mir oft sehr langweilig. Ich kannte niemanden außer meinem Freund. Zuhause ist das anders. Da fühl’ ich mich einfach am wohlsten.“ Antje Schreyl