Wernshausen. Am Samstag um 11.05 Uhr, kurz, nachdem der Zug Richtung Schmalkalden die Zwick bei Wernshausen passiert hatte, drückte Sprengmeister Uwe Jakob die zwei Knöpfe der elektronischen Zündung für 1500 Sprengladungen. Sekunden später brach das 80 Meter lange und 35 Meter hohe Produktionsgebäude der einstigen Kammgarnspinnerei zu einem gewaltigen Haufen Stahl und Steine zusammen.

Hunderte Zuschauer verfolgten die Sprengung von den umliegenden Bergen und von den Rändern der Sicherheitszone aus. So waren Zwick-Kreuzung und Bundesstraße 19 für kurze Zeit komplett gesperrt und ab dem Bahndamm ebenso wie die Wiese daneben von Schaulustigen besiedelt. Mit den Bildern von der Sprengung des Breitunger Schornsteins im Hinterkopf erwarteten sie das Ereignis mit Spannung, aber auch mit Wehmut. „Wieder ein Stückchen Geschichte weniger“, meinte einer der Zuschauer nach der Sprengung. Der 3,8 Millionen Euro teure Abriss des Industriedenkmals wurde noch vom einstigen Wernshäuser Gemeinderat beschlossen und hatte in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder für Diskussionen gesorgt. Der Freundeskreis Todenwarth und deren befreundete Musiker, die bereits mit einem illegalen Konzert für den Erhalt des Gebäudes von sich Reden machten, waren so auch am Samstagvormittag wieder vor Ort und stimmten die Totenklage an.

Auch Oststeilbürgermeister Rainer Stoffel ließ sich das Spektakel nicht entgehen. Wie schon bei den Stein-Schafen vom Eingangsportal des Behlert-Baus veranlasste er die Sicherung der Metallkugel von der Dachspitze, die zunächst im Trümmerhaufen verschwand. Sie soll in den nächsten Tagen geöffnet werden.

„Es lief alles nach Plan“, sagte Walter Kappel, der zweite von drei Sprengmeistern der Eurovia GmbH vor Ort. Es habe weder Schwierigkeiten gegeben, noch habe das Haus eine außergewöhnliche Herausforderung dargestellt. Die Wände seien an den dicksten Stellen einen Meter stark gewesen. Bis zu 250 Gramm des gelatinösen Industriesprengstoffes bedurfte es da pro Bohrloch. Insgesamt waren es 270 Kilogramm, die in zwanzig Stufen von der Zwick in Richtung Wernshausen zeitversetzt gezündet wurden. „Das waren eigentlich 20 Sprengungen im Millisekunden-Takt“, so Walter Kappel. So lasse sich der Schalldruck senken. Die dicken Stahlstützen, die auch die stählerne Dachkonstruktion hielten, wurden im Vorab per Schneidbrenner durchtrennt, sodass sie nur noch nach innen klappen mussten. Das spare den für dieses Material teureren Sprengstoff. Das Stück Mauer, das von der unteren Stirnseite zunächst stehen blieb, sei kein Versehen gewesen. Wegen der benachbarten Gewerbehalle waren hier keine Sprengladungen eingebracht worden und laut Kappel gebe es nach erster Sichtung auch keine Schäden an den umliegenden Gebäuden. Genaueres lasse sich aber erst nach der Auswertung der Daten sagen, die die zahlreichen Messgeräte in der Umgebung sammelten.

Die großen Bagger, die nach der Explosion ihr Werk begannen, besorgten den Rest und räumten auch die Straße zwischen Zwick und Wernshausen frei, die vorher zum Schutz mit einer rund zwei Meter starken Sandschicht bedeckt wurde. Am Sonntag war die Straße wieder befahrbar.

Die Kulturinitiative Thüringen forderte unterdessen eine Untersuchung der so bezeichneten Revitalisierung eines Gewerbestandortes. Das sei staatlich beauftragter und finanzierte Vandalismus, wurde Vorsitzender André Störr am Samstag in Weimar zitiert.
Wernshausen will mit dem Abriss Platz für neue Gewerbeansiedlungen im Ort schaffen. Nachdem bereits das Werkzeugbau-Unternehmen Sandvik von Schmalkalden nach Wernshausen gezogen war, erhoffen sich die Kommunalpolitiker nach dem Beitritt zur Fachwerkstadt weitere Ansiedlungen im neuen Schmalkalder Gewerbegebiet. (dano)