Meiningen. An Dieter Möhler reiben sich viele – politische Weggefährten, wie Gegner. Der Anwalt war bisher ein aktiver Stadtrat und will es bleiben. Sein Blick zurück und nach vorn macht klar, dass er auch weiter anecken will.

Herr Möhler, wie fühlt man sich als Ex-CDU- und nun FDP-Frontmann?
Ich fühle mich frei. Das unterscheidet mich in bezug auf das, was ich vorher für die CDU gemacht habe. Da habe ich die Freiheit am Schluss nicht mehr als solche empfunden, vor allem in Sachen Wirtschaftspolitik. Mehr Freiheit verschafft mir auch meine Parteilosigkeit. Ich kann daher ganz ohne Rücksicht auf eine überregionale Parteilinie zum Wohle der Stadt agieren.

Was wird anders mit der FDP im Stadtrat?
Es wird sich einiges ändern. Wir werden für den Fall der Bildung einer Fraktion natürlich erheblich mitbestimmen, insbesondere was die wirtschaftlichen Belange dieser Stadt anbelangt. Konzentrieren wollen wir uns auf die Frage der Ansiedlung von Unternehmen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen. So verhindern wir aktiv Abwanderung.

Ist damit die Ansiedlung von Unternehmen auf dem Rohrer Berg gemeint?

Wir machen das nicht fest an der Frage nach dem Standort, sondern dem Wohl für die Stadt. Denkbar sind viele Möglichkeiten. Für den Fall, dass die Gemeinde Grabfeld zu einer Kooperation mit der Stadt bereit ist, wird selbstverständlich dem Industriegebiet „Thüringer Tor“ der Vorrang gegeben. Oder, für den Fall einer Eingemeindung von Sülzfeld, kann auch darüber nachgedacht werden, dort noch vorhandene Gewerbeflächen zu verwerten. Sollte das alles nicht funktionieren, muss ganz klar Priorität haben, ein eigenes Industriegebiet zu schaffen.

Wird sich etwas ändern am Politikstil im Stadtrat?

Eine Fraktion muss nicht unbedingt geschlossen auftreten, wenn sie aus, was die wirtschaftliche Entwicklung anbelangt, verschieden denkenden Personen besteht. Ein Ruheständler wird beispielsweise andere Auffassungen dazu haben als ein jüngerer, der selbst noch im Berufsleben steht.

Wird es auch einen anderen Dieter Möhler geben bei der FDP im Stadtrat?

Dieter Möhler bleibt Dieter Möhler. Selbstverständlich wird sich die Politik etwas verändern, nämlich dahingehend, dass politische Aussagen zugunsten einer Großpartei auf kommunalpolitischer Ebene nicht im Vordergrund stehen werden.

Die Liberalen sind der klassische CDU-Partner … Gilt das dann auch im Stadtrat?

Ein Automatismus verbietet sich. Erst recht in dieser Situation. Die vorherige Zusammenarbeit der CDU mit PRO Meiningen hat gezeigt, dass teilweise persönliche Befindlichkeiten nach draußen getragen werden, egal von welcher Seite diese kommen. Es wird sich zeigen, wie man miteinander umgeht. Eine Zusammenarbeit orientiert sich nicht an persönlichen Empfindungen, sondern an Sachfragen.

Den Vorschlag, in Meiningen eine 24-Stunden-Kindertagestätte zu eröffnen, hätte man eher den Linken zugeordnet, nicht aber den freien Demokraten …
Für die Liberalen ist das eine zentrale Forderung, weil die Notwendigkeiten von Betrieben ganz anders aussehen als der Arbeitszeit-Alltag in einer öffentlichen Verwaltung. Betriebe, die im Schichtsystem arbeiten und Familien, bei denen beide Partner berufstätig sind, brauchen die Möglichkeit der Unterbringung ihrer Kinder wenn sie auf Arbeit müssen. Da haben wir in Meiningen ein großes Defizit. Nehmen wir als Beispiel nur das Klinikum in Dreißigacker. Dort gibt es rund um die Uhr Schichtbetrieb. Wir müssen dort sehen, dass das Personal auch hinsichtlich der familiären Erfordernisse gut abgesichert und versorgt ist.

Mit der FDP soll das Volkshaus bezüglich der Sanierung und Betreibung eine Chance bekommen. Wie soll das aussehen?

Denkbar ist ein Modell, bei dem die Stadtwerke Betreiber werden. Favorisieren würde ich dabei, dass ein privates Mitwirken in diesem Gesellschaftsmodell möglich wird.

Die FDP wird also keinen Antrag im Stadtrat unterstützen, der die auf den Weg gebrachte Sanierung stoppen soll?

Ein grundsätzliches Ja von uns zum Volkshaus, aber das Betreiberkonzept muss unmittelbar und schnell entwickelt werden. Die Betriebskosten sind haushaltswirksam und deshalb muss diese Frage sehr rasch beantwortet werden.

Investitionen sollen sich lohnen, immer Geld in die Stadtkasse spülen. Was halten Sie daher von dem perspektivisch angedachten Ausbau des Gründerzentrum in Millionenhöhe?

Ich bin gegen eine Erweiterung des Gründerzentrums am Standort Dreißigacker. Grundsätzlich halte ich das Gründerzentrum aber für wichtig. Mein Vorschlag ist daher, dem Bahnhofsgebäude für die Ausweitung solcher Initiativen Priorität einzuräumen. Das belebt auch die Innenstadt.

Es wurde in den letzten fünf Jahren häufig die Über-macht der Stadtverwaltung kritisiert. Lässt sich das mit dem neuen Stadtrat ändern?

Mit einem starken Stadtrat kann sich das ändern. Er gibt sich selbst eine Hauptsatzung und eine Geschäftsordnung. Darin kann die Bildung anderer Ausschüsse definiert werden, beispielsweise einer für wirtschaftliche Fragen oder einer für Eingemeindungen … Das hieße, man nimmt der Verwaltung Aufgaben weg, die jetzt schon nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen, und beauftragt einen Kreis befähigter Stadträte. Die Verwaltung ist heute zu stark und der Stadtrat zu schwach. Das muss sich ändern.
Interview: Ralph W. Meyer