Bis tief in die Nacht boten sich dort den Reportern am Unglücksort surreale Szenen: Während die Leichen in Rettungsfahrzeugen abtransportiert wurden und schockierte Passanten in Tränen ausbrachen, tanzten nur einen Steinwurf entfernt Partygäste in der Fußgängerzone ausgelassen weiter – offenbar zu betrunken, um zu realisieren, dass sich nur kurz zuvor eine der größten Tragödien der jüngeren Geschichte Südkoreas ereignet hat.
Was hat die Polizei falsch gemacht?
Sobald die akute Trauer der Koreaner abgeklungen ist, müssen sich die Verantwortlichen wohl einige unangenehme Fragen stellen müssen – etwa, warum laut Berichten nur 200 Polizisten für das Viertel abkommandiert wurden. Viele von ihnen waren nach Augenzeugenberichten vor allem um den Autoverkehr bemüht, anstatt die Menschenmassen zu koordinieren.
Die mangelnde Anzahl an Ordnungshütern ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Stadtregierung in Seoul bei regelmäßigen politischen Protesten auf dem zentralen Gwanghwamun-Platz oftmals mehr Polizisten entsendet, als Demonstranten erwartet werden.
Erinnerungen an das große Fährunglück
Die Ereignisse vom Samstag werden in Südkorea als die größte nationale Katastrophe seit acht Jahren in die Geschichtsbücher eingehen. Zuletzt sind 2014 bei einem Schiffsunglück – verursacht durch menschliches Versagen und Korruption – knapp 300 Südkoreaner ertrunken, der Großteil von ihnen Teenager während eines Schulausflugs.
Wie viele Kommentatoren anmerkten, handelt es sich bei den Toten der Sewol-Fähre just um die Generation, die heute Anfang 20 ist – jene Altersgruppe also, aus der die meisten Opfer von Itaewon stammen. Es fühlt sich in der kollektiven Psyche der Koreaner an, als hätte die Gesellschaft es zweimal verpasst, ihre Jugend zu schützen.