Dass war in den letzten Jahren nicht immer so, so ganz ohne Wettkämpfe. „Ich brauche ein Ziel, auf das ich hinarbeiten kann. Ohne konkretes Zeil vor Augen hat mir dann doch ein bisschen die Motivation zum Trainieren gefehlt“, gesteht Marcel Bräutigam. Einen positiven Nebeneffekt hatte die Zwangspause aber doch: Er konnte seinen Körper, der ihm in den Jahren vor Corona öfter einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, mal richtig auskurieren. Zwar habe er noch immer Probleme mit dem Rücken, die seien aber beherrschbar. Und auch seine Corona-Infektion wurde gut überstanden, sagt er.
Zweite Station war am 9. April der Kyffhäuser-Berglauf in Bad Frankenhausen. Dort gewann Marcel Bräutigam über 13 Kilometer in 46:26 Minuten. Es folgte am Karsamstag der souveräne Sieg in Heyda mit neuem Streckenrekord und Durchbrechen der Ein-Stunden-Schallmauer.
„Die Volksläufe machen großen Spaß“, sagt der Großbreitenbacher. „Nach langer Zeit die anderen Läufer wiederzusehen und die Unterstützung durch meine Familie an der Strecke zu haben, dass mein Sohn im Ziel auf mich wartet – das sind noch mal ganz andere Dinge als wenn ich allein trainieren würde.“ Dafür nimmt der Polizist auch Schlafmangel in Kauf, wenn, er, wie am Karsamstag, die Laufschuhe zwischen zwei Nachtschichten schnürt.
Nur zwei Wochen nach der Deutschen Meisterschaft will sich Marcel Bräutigam („wenn alles gut geht“) dem nächsten Ultralauf stellen: Dem Supermarathon beim Rennsteiglauf. Mit diesem hat der viermalige Rennsteiglaufsieger noch eine Rechnung offen, ist es doch die einzige Distanz, die noch in seiner Erfolgsbilanz fehlt. 2019, bei seinem bisher einzigen Start über den langen Kanten, wurde Bräutigam hinter dem Jenaer Steffen Justus Zweiter. Lange hatten die beiden sich bei der Führung abgewechselt, ehe Bräutigam, von Krämpfen geplagt, abreißen lassen musste. „Jetzt kenne ich die Strecke besser, weiß, was mich erwartet und werde nicht wieder den Fehler machen, zu schnell anzugehen“, sagt er.
Mindestens eine ebenso große Herausforderung wird am 2. Juli der Zermatt-Marathon in der Schweiz werden, eine alpine Prüfung auf einer der anspruchsvollsten Marathonstrecken Europa. Rund 1400 Höhenmeter liegen da zwischen dem Start in St. Nikolai und dem Ziel auf dem Riffelberg. „Da bin ich sehr gespannt, was mich erwartet, weil ich auf dieser Strecke logischerweise nicht vorher trainieren kann“, so Bräutigam.
Schon eher weiß der 34-Jährige, was ihm beim vierten großen Saisonziel erwartet, der Polizei-EM im Marathon, die am 9. Oktober im Rahmen des Eindhoven-Marathons ausgetragen werden soll. „Die Strecken in den Niederlanden sind flach und schnell. Ich bin dort vor ein paar Jahren schon mal gestartet.“ 2018, bei der letzten EM im irischen Dublin, war Bräutigam Zweiter, zwei Jahre zuvor in Graz (Österreich) holte er den Titel. Ähnliche Ambitionen hat er auch diesmal. Doch noch wichtiger ist ihm die Mannschaft. „In dieser Wertung bin ich bisher immer Zweiter geworden. Jetzt soll es endlich mal zum Titel reichen.“