Der Prozess drehte sich um die Frage, ob Air France seine Piloten besser hätte ausbilden und auf Extremsituationen vorbereiten können. Airbus wurde in der Anklage vorgehalten, die Folgen eines Ausfalls der für die Geschwindigkeitsmessung zuständigen Pitot-Sonden unterschätzt zu haben. Die Sonden waren bei dem Flug eingefroren. Ein Expertengutachten hatte 2012 geurteilt, die Crew sei danach mit der eigentlich beherrschbaren Lage überfordert gewesen.
Fluggesellschaften weisen Verantwortung zurück
Airbus und Air France hatten die Verantwortung für den Absturz zurückgewiesen. Im Urteil hieß es trotz des Freispruchs, Vorfälle mit den Sonden seien von Airbus nicht ausreichend nachverfolgt worden, Informationen seien zurückgehalten worden. Air France hätte seine Piloten besser auf Probleme mit den Sonden hinweisen können.
Die Staatsanwaltschaft ging zur Erleichterung der Angehörigen, von denen rund 500 als Nebenkläger auftraten, gegen das Urteil in Berufung. Einen Termin für das Berufungsverfahren gibt es bisher jedoch nicht, wie es aus Justizkreisen hieß.
Danièle Lamy von der französischen Hinterbliebenenorganisation steht dem Prozess durchaus skeptisch gegenüber. "Sollen wir Familien der Opfer die Qualen eines vergeblichen und fruchtlosen Versuchs erneut erleben, noch einmal Monate der juristischen Unruhen erleiden?" Für die Opfer werde man nicht resignieren, damit die Verfehlungen anerkannt würden und ein Schuldspruch gesprochen werde.
Auch Gans hofft darauf, dass das Verfahren diesmal anders ausgeht - besonders mit Blick auf die zwei Abstürze von Boeingmaschinen des Typs 737-Max in den Jahren 2018 und 2019, bei denen 346 Menschen ums Leben kamen. "Das ist dort eine ähnliche Situation gewesen, aber man hat Konsequenzen gezogen", meint Gans. Die Flugzeuge wurden am Boden gehalten.
Bei den schon vor dem Todesflug Rio-Paris gemeldeten Problemen mit den Sonden habe die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA die Sicherheitsgefahr nicht hoch genug eingestuft und kein Startverbot verhängt. Gans würde in Berufung daher auch den damaligen Chef der EASA, Patrick Goudou, gerne auf der Anklagebank sehen.
Geldstrafen bis zu 225.000 Euro
Air France und Airbus drohen in dem Verfahren Geldstrafen bis zu 225.000 Euro. Doch den Hinterbliebenen geht es nicht um die Buße für die Konzerne. Man möchte einen Beitrag für mehr Sicherheit im Luftverkehr leisten, sagt Gans. "Und ich würde sagen, es ist tatsächlich eine andere Situation geworden."
Air France habe die Ausbildung verbessert. Airbus und Thales würden sich wohl genauer überlegen, was sie in den Verkehr bringen. Und: "So einfach die Dinger unter den Teppich zu kehren, das geht nicht mehr", sagt Gans. Es ginge neben dem Erinnern um das Weiterdenken, um den Luftverkehr. "Insofern kann man das wirklich nicht hoch genug einschätzen, dass auch die Rechtsprechung sich der Probleme annimmt."
Den Jahrestag des Absturzes werden Gans und seine Frau abseits des juristischen Gerangels um die Verantwortung für den Tod ihrer Tochter und 227 anderer Menschen in einer Kirche verbringen. Nach dem Unglück haben sie und Mittrauernde dort Orgelpfeifen auf den Namen ihrer Tochter Ines gestiftet. "Wir fühlen uns mit unserer Tochter dort sehr verbunden", sagt Gans.