Lokalsport Ilm-Kreis Fußball-Geschichte: Germania Ilmenaus Alte Herren in Bonn

Karl Kutzer präsentiert das Erinnerungsfoto, das 1998 beim Rückspiel der Germania gegen Claudia Noltes Ministeriumsmitarbeiter im Hammergrund entstand Foto: Andreas Heckel

Im Frühsommer 1998 spielten die Alten Herren von Germania Ilmenau gegen ihre Altersgefährten aus dem Bundesministerium von Claudia Nolte. Fußballtorwart-Senior Karl Kutzer und der damalige Vereinschef Dieter Gertloff erinnern sich.

 
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Ilmenau - Das Foto, laut Rückseiten-Aufkleber übrigens von Freies Wort-Fotograf Michael Reichel („ari“) geschossen, ist schon etwas angeknickt in den 22 Jahren, die das Event inzwischen her ist, welches es dokumentiert: Zwei Alte-Herren-Fußballteams im Hammergrund. Germania Ilmenau trägt diesmal Rot, und man erkennt u. a. „Karli“ Kutzer (unten, 3. von links) als Feldspieler, das heutige Vorstandsmitglied Detlef Schwabe als Torwart, den heutigen Trainer Horst Grohmann (stehend) sowie ganz rechts, in Schiedsrichterkluft, unseren langjährigen Germania-Berichterstatter John Schmidt. Mittendrin, voll in „Einwurf-Euphorie“, präsentiert sich die damalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Claudia Nolte aus Ilmenau. Und die Herren neben ihr in Blau-Weiß, das ist die Fußballmannschaft ihres Ministeriums, die im Sommer 1998 zum Rückspiel in den Hammergrund gekommen ist. Nun haben ja Germanias Senioren-Kicker schon immer einen recht intensiven Spielbetrieb gepflegt – aber dieser Gegner, der war wohl mit Abstand der außergewöhnlichste. Wovon Karl Kutzer (78) und der damalige Germania-Vereinschef Dieter Gertloff (80) auch heute noch ausführlich erzählen können.

Es wissen heute vielleicht nicht alle Ilmenauer mehr, dass es in den 90er-Jahren eine Bundesministerin aus der Goethestadt gab: Die gebürtige Rostockerin Claudia Nolte, die an der TU „hängengeblieben“ war, in der Politik Karriere machte, in der letzten Regierung von Helmut Kohl das Ressort für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) leitete und dabei oft zwischen Bonn und Ilmenau pendelte. „Die ganze Geschichte begann mit Eckardt Winter, ihrem Chauffeur“, erinnert sich Karl Kutzer. „Der war dann immer im ,Lindenhof’ untergebracht und kam bei einem seiner Spaziergänge am Freitagabend im Hammergrund vorbei, als dort gerade Germanias Alte Herren trainierten.“ Und da hatte der Mann aus Bonn eine Idee ...

Eckardt Winter gehörte nämlich selbst einer Alte-Herren-Mannschaft an, die es am BMFSFJ gab und stets auf der Suche nach neuen Gegnern war. Ein Vergleich mit Altersgenossen aus der Heimat seiner Chefin – na, das wäre doch ideal! „Wir sind ins Gespräch gekommen und waren uns auch recht schnell einig“, so Karl Kutzer, aus Schleusingerneundorf stammender früherer Torwart bei Empor und Chemie Glas Ilmenau. „Nur dass wir darauf bestanden haben, zuerst in Bonn zu spielen. Wir mussten ja erst mal sehen, auf was wir uns da einlassen.“

So war denn die Spannung groß, als sich im Mai 1998 vier Autos, besetzt mit Ilmenauer Seniorenfußballern, Richtung Bundeshauptstadt in Bewegung setzten. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen erinnert sich Dieter Gertloff an Akteure wie Jürgen Gilian, Ingbert Wurzler, Erhard Meyer, Hansi Heyn, Dietmar Reinhardt, Heiko Lessau, Lutz Kobe, Andreas Schmidt, Heinz Wünsche, Wolfgang Stauch, Rose, Horst „Ede“ Grohmann, Fritz Frank … In Königswinter, auf der östlichen Seite des Rheins, wurde zunächst Station gemacht, und für den Vormittag vor dem Spiel hatten sich die Ministeriumskicker für ihre Gäste ein ganz exorbitantes Programm ausgedacht:

Eine Führung durch die wichtigsten Gebäude des damaligen Regierungssitzes, ganz offiziell mit Guide – in diesem Fall eine „Guidein“ – und, wie Dieter Gertloff versichert, zu Orten, an die man damals im Normalfall keineswegs so ohne Weiteres gelangen konnte. Ilmenaus Fußballer drangen bis in die „heiligen Hallen“ vor: Das Bundestagsgebäude, das Familienministerium, das Konrad-Adenauer-Haus und auch – wenn auch nur von außen – der Kanzlerbungalow. „Man stand direkt am Schreibtisch von Konrad Adenauer“, erinnert sich der Germania-Chef. Claudia Nolte konnte bei diesem Besuch ihrer Landsmänner leider nicht anwesend sein, dafür hinterließen diese auf ihrem Schreibtisch ein Geschenk „Gruß aus Ilmenau“. Ein Erinnerungsfoto just an jener Stelle, an der knapp acht Jahre zuvor der Einigungsvertrag unterschrieben worden war, gehörte auch dazu.

Solcherart außergewöhnliche Eindrücke schienen die Kicker aus dem Osten zusätzlich zu beflügeln, denn das Spiel im „Sportpark Wasserland“ gewannen sie dann mit 3:1. Zur obligatorischen dritten Halbzeit kam man im Ilmenauer „Mannschaftshotel“ von Königswinter zusammen.

Natürlich wurde auch ein Rückspiel ausgemacht, wieder an einem Samstag. „Und nun standen wir vor der nicht ganz einfachen Aufgabe, unseren Gäste auch was zu bieten, das sie so vielleicht noch nie erlebt hatten“, erzählt Karl Kutzer. Natürlich boten sich die Sportstätten von Oberhof an, und da kam der Zufall zu Hilfe: Just an diesem Tag trainierte auf der Schanze im Kanzlersgrund die deutsche B-Nationalmannschaft auf Matten, und so konnten die Bonner Gäste Skispringen live erleben. Die Rennrodelbahn von Oberhof, Sommerrodeln am Ilmenauer Floßberg und, als besonderer Clou, das Bunker-Hotel bei Schmiedefeld – ja, auch die Region rund um Ilmenau hat einiges Spektakuläre zu bieten! Und zum Rückspiel am Nachmittag im Hammergrund war dann auch die Ministerin mit dabei. Sie vollzog sogar den Ehrenanstoß und schaute auch bei der „dritten Halbzeit“ in der „Sportlerklause“ vorbei.

Eigentlich hätte das der Beginn einer wunderbaren (Sport-)Freundschaft sein können und sollen. Aber in der Politik Traditionen aufzubauen, das ist eben nicht so einfach: Wenige Monate nach den beiden Spielen stand jene Bundestagswahl an, bei der Helmut Kohl als Bundeskanzler abgewählt und von Gerhard Schröder ersetzt wurde. Logischerweise endete damit auch die Zeit von Claudia Nolte als Ministerin (sie ist heute, unter ihrem neuen Namen „Crawford“, für die Konrad-Adenauer-Stiftung tätig). Ein Jahr später begann der große Umzug der Bundesinstitutionen von Bonn nach Berlin, und damit war die BMFSFJ-Mannschaft als Germania-Gegner Geschichte. „Nur Eckardt Winter ist noch ein paar Mal in Ilmenau gewesen“, weiß Karl Kutzer. Geblieben sind unvergessene Erinnerungen an zwei außergewöhnliche Freundschaftsspiele.

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