e niedrige Wahlbeteiligung und die Sorge um die Perspektive des Landkreises teilen die Sonneberger Altlandräte. Dies ergab eine Umfrage dieser Zeitung unter den einstigen Amtsinhabern. „Das hat der Landkreis Sonneberg nicht verdient“, wird Christine Zitzmann deutlich. Wer an der Spitze der Kreisbehörde stehe, sei nicht egal. Und einen Landrat, dessen Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werde mag sich die Kommunalpolitikerin, die sich um das Image ihrer Heimat sorgt, gar nicht vorstellen. Von 2006 bis 2018 war Zitzmann Landrätin, aufgestellt zunächst von der CDU, trat sie 2013 aus der Partei aus. „Das Schlimme ist, dass wir jetzt Bundes- und Landespolitik auf die Landkreisebene geholt haben“, kritisiert sie den vergangenen  Wahlkampf. Am Ende, so ihr Eindruck, habe der Landkreis keine Rolle gespielt und das könne nicht sein. Freilich, gegen Erfurt gekeilt hatte die Kommunalpolitikerin Zitzmann nicht nur einmal. „Ich habe   immer meinen Mund aufgemacht“, sagt sie. Dabei ging es stets um den Landkreis, in dessen Sinn müsse man seine Interessen deutlich machen und deshalb sei es nicht egal, wer an der Spitze stehe. Die Wahlbeteiligung im ersten Durchlauf – nicht einmal die Hälfte der Berechtigten gab ihre Stimme ab – habe sie erschüttert. „Wir brauchen eine Kampagne, bitte geht zur Wahl“, stellt sie klar und bittet, das Kreuzchen beim Unionskandidaten Jürgen Köpper zu machen.

Kritik an Bund und Land

Während Detlef Weise, der von 1990 bis 1994 das Amt an der Landkreisspitze bekleidete, derzeit auf Reisen ist und aus der Ferne keine Einschätzungen zum Wahlgeschehen im Heimatlandkreis abgeben möchte, äußert sich Reiner Sesselmann zum vorläufigen Ausgang am 11. Juni.
Zitzmanns Amtsvorgänger treibt ebenfalls um, dass so wenige ihr Kreuzchen gesetzt haben. Dies mache ihm  Sorgen: „Die Wähler von SPD, CDU oder anderen etablierten Parteien denken, sie haben es nicht nötig.“ Dagegen würden „die Anderen“ garantiert den Weg zum Wahllokal finden. Eine mehrheitliche Volksmeinung komme dann nicht mehr zum Zuge, wenn  nur noch wenige überhaupt wählen, weswegen auch er zum Urnengang  aufruft. „80 Prozent Beteiligung wären in jedem Fall besser“, meint Sesselmann, der zwischen 1994 und 2006 an der Spitze der Kreisverwaltung stand. Sesselmann – nicht verwandt mit dem AfD-Bewerber – war zudem der erste direkt gewählte Landrat, parteilos und unterstützt durch die Sozialdemokraten, wurde er mehrfach im Amt bestätigt. In der anstehenden Stichwahl sieht er zu CDU-Mitglied Köpper keine Alternative. Indessen, an Kritik an den „Etablierten“ spart auch Altlandrat Sesselmann nicht. Die Querellen innerhalb des Unionslagers, nachdem sich eine Wählervereinigung von der CDU-Fraktion in Kreistag und Sonneberger Stadtrat abgespaltet hat, habe mit dazu beigetragen. Nunmehr würden bundes- und landespolitische Themen den Landratswahlkampf bestimmen,  was der Kommunalpolitiker nicht gut findet. In der Podiumsdiskussion im Gesellschaftshaus habe er solche bei allen Bewerbern vermisst. Deutsches Spielzeugmuseum, Musikschule, Volkshochschule, die Schulen seien zentrale Aufgaben des künftigen Landrats, aber in der Debatte wären diese Landkreisangelegenheiten  kaum oder gar nicht zur Sprache gekommen. In der Vergangenheit seien dies auch stets die Themen im Wahlkampf gewesen, anders als in der Gegenwart.
„Ich bin ein bisschen überrascht von dem Ergebnis“, gesteht Hans-Peter Schmitz. Dass die Entscheidung, wer sein Nachfolger auf dem Posten des Landkreisoberhauptes werden wird, erst in einer Stichwahl fällt – eben so, wie es letztlich auch gekommen ist –, das habe sich der 2018 ins Amt gewählte und inzwischen aufgrund langwieriger Erkrankung in den Ruhestand versetzte Schmitz schon gedacht. Allerdings habe er nicht damit gerechnet, dass CDU-Kandidat Jürgen Köpper dem AfD-Bewerber „mit so vielen Prozentpunkten unterlegen sein wird“. Aber, so der jüngste Altlandrat mit optimistischen Blick auf den 25. Juni, „das kann sich ja noch ändern“.
Den ersten Wahlsonntag am 11. Juni hat der 65-Jährige von zu Hause übers Online-Portal des Landeswahlleiters und über verschiedene mediale Kanäle verfolgt. Sein Kreuz selbst für seinen Wunsch-Nachrücker hatte er vorab bereits via Briefwahl übermittelt. Wo er es dann im zweiten Durchgang setzen möge, lässt er indirekt anklingen, als er sagt: „Jürgen Köpper hat mich in den vergangenen zwei Jahren sehr gut vertreten und unter Beweis gestellt, dass er in schwierigen, von der Pandemie und anderen Herausforderungen geprägten Zeiten das Landratsamt führen kann.“
Eine Prognose zur Zukunft des Landkreises, für den der gelernte Verwaltungswirt im Zuge der Verwaltungshilfe nach der Wende arbeitete und dessen hauptamtlicher Beigeordneter er von 2006 an war, möchte er mit Blick darauf, sollte sich der Trend aus dem ersten Wahlgang bei der Stichwahl fortsetzen und mit Sesselmann ein AfDler den Posten besetzen, nicht abgeben. Viel lieber schließt er sich angesichts der geringen Wahlbeteiligung von 49,1 Prozent seinem Vor-Vorgänger Reiner Sesselmann an, der diese gegenüber der Presse als Schande bezeichnet. „Eine Schande für die Demokratie“, so Schmitz, deren Ursache ihm unklar sei.
„Ist es Politikverdrossenheit? Ich weiß nicht, woran es liegt.“ Was er aber weiß und den Bürgern im Landkreis mit auf den Weg geben möchte, ist der „Appell an alle, die im ersten Wahlgang nicht gewählt haben, zur Stichwahl wählen zu gehen“.