Landleben Fachkräfte gegen die Einsamkeit

Auch das ist Teil des Agathe-Programms: Gesundheitskioske wie hier in Seltenrain (Unstrut-Hainich-Kreis) sollen Anlaufstellen rund um Themen wie Gesundheit und Pflege sein. Foto: IMAGO/ari

Im Alter allein zu sein, davor fürchten sich viele Menschen. Thüringen, wo eine halbe Million Menschen zur Generation der über 65-Jährigen gehört, hat darauf mit einem Landesprogramm reagiert.

 
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Um alleinlebende alte Menschen vor Vereinsamung zu bewahren, sind in Thüringen nach Angaben des Sozialministeriums inzwischen 50 speziell geschulte Fachkräfte über ein dafür aufgelegtes Landesprogramm vor Ort im Einsatz. Sie besuchen Senioren zu Hause, organisieren Hilfen im Alltag, übernehmen beispielsweise Fahrdienste zum Arzt, helfen bei Anträgen etwa für Wohngeld oder Hilfsmittel oder bringen ihnen den Umgang mit Internet und Videotelefonie bei. Mit dieser Ausrichtung sei das Programm mit dem Namen „Agathe“ bundesweit bislang einzigartig, sagte Ministerin Heike Werner (Linke).

Dessen Ziel ist es, den alten Menschen so lange wie möglich ein selbstständiges Leben in ihrem eigenen Haushalt zu ermöglichen, Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern oder ganz zu vermeiden. Gerade die Alleinlebenden seien im Alter stärker in ihrer Gesundheit gefährdet, etwa durch Depressionen oder durch Stürze mit Verletzungsgefahr, sagte Werner. „Das Programm ist also auch Gesundheitsprävention.“ Die „Agathe“-Fachkräfte, oft ausgebildet als Krankenschwestern und -pfleger, Physiotherapeuten oder in anderen Sozialberufen, seien für diese Menschen Kontaktpersonen für Hilfsangebote und Anlaufstellen - und oft auch Partner zum Reden und Zuhören.

In Thüringen sind nach amtlicher Statistik derzeit etwa 570 000 Menschen 65 Jahre und älter - bei einer Gesamtbevölkerung von rund 2,1 Millionen Menschen. Das 2021 aufgelegte Programm wird inzwischen in elf Landkreisen und kreisfreien Städten angeboten, wobei die Angebote regional variieren. Im Unstrut-Hainich-Kreis etwa betreuen „Agathe“-Kräfte sogenannte Gesundheitskioske, in denen Menschen beraten und auch Video-Arztsprechstunden vermittelt werden sollen. In Nordhausen arbeiten die Fachkräfte mit dem dortigen Pflegestützpunkt zusammen. Im Ilm-Kreis ist ein Landkaufmann mit einem rollenden Supermarkt und vielen Kontakten zu älteren Menschen Partner.

Seit 2021 hat das Land laut Ministerium insgesamt rund 5,7 Millionen Euro für die Finanzierung des Programms zur Verfügung gestellt. 2023 sind 4,8 Millionen dafür vorgesehen. Das Land trägt die Kosten dabei nicht vollständig, die Kommunen müssen einen Anteil zwischen 10 und 20 Prozent beisteuern.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte das Agathe-Programm Ende vergangenen Jahres im Interview mit dieser Zeitung als einen der Schlüssel bezeichnet, um das Leben in den ländlichen Regionen auch weiterhin lebenswert zu machen.

„Wir sind das erste Bundesland, das voll automatisierte 24-Stunden-Märkte im ländlichen Raum flächendeckend realisiert hat. Wir haben inzwischen fast 20 dieser Märkte. Wir sind das erste Bundesland, in dem die digitalen Gesundheitskioske auf den Dörfern in Betrieb gehen. Während Bundesgesundheitsminister Lauterbach noch von ihnen redet, haben wir den ersten dieser Kioske in Betrieb genommen“, hatte Ramelow seinerzeit erklärt.

Hinter all diesen Projekten stehe die Stiftung Landleben, die die Landesregierung immer wieder antreibe. „Das finde ich gut, dass wir aus den Dörfern Impulsgeber haben. Und an den Orten, an denen sich solche Sachen entwickeln, an denen es vorangeht, sehen Sie montags auch keine Menschen demonstrierend durch den Ort laufen“, hatte Ramelow gesagt. Viel von dem, was derzeit montags passiere, mache vor allem das sichtbar, was in den vergangenen 20 Jahren nicht sichtbar wurde, in dem sich aber viel Frust angesammelt habe.

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