Wunsiedel - Mit einem Gedenkmarsch, ökumenischen Gottesdiensten und einer Lichterkette quer durch die Innenstadt haben am Samstag rund 1000 Menschen in Wunsiedel gegen einen gleichzeitig stattfindenden Neonazi-Aufmarsch demonstriert. Die NPD hatte damit an ihren vor rund zwei Wochen verstorbenen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Jürgen Rieger erinnern wollen. Versuche von Autonomen, den Aufmarsch der nach Polizeiangaben rund 850 Rechtsextremen zu stoppen, verhinderten die Ordnungshüter mit einer
Abriegelung der an den Stadtrand verlegten Marschroute.

Alle drei angemeldeten Kundgebungen verliefen nach Angaben der Polizei dank eines Großaufgebots an Einsatzkräften bis zum Abend ohne Zwischenfälle. Die Polizei hatte insgesamt neun Demonstranten festgenommen - fünf aus der rechten Szene und vier Autonome; bei ihnen hatten Beamte Messer, Reizgas und Sturmhauben entdeckt. Bereits bei Kontrollen der Zufahrtsstraßen hatte die Polizei Pfefferspray und Böller sichergestellt.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte am Freitag ein Verbot des NPD-Zugs aufgehoben und damit den ersten Neonazi-Aufzug in Wunsiedel seit 2005 ermöglicht. In Wunsiedel ist der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß beigesetzt. Trotz Verboten des Landkreises war es am Todestag des früheren Nazi-Führers im August immer wieder zu Aufmärschen in Wunsiedel gekommen. Inzwischen sorgt eine entsprechende Gesetzesänderung dafür, dass Verbote von Heß-Gedenkmärschen der Neonazis auch vor den Verwaltungsgerichten
Bestand haben.

Der Wunsiedler Dr. Landrat Karl Döhler (CSU) befürchtet nun, dass die NPD versuchen könnte, ihren Heß-Gedenkmarsch vom August auf den Tag vor dem Volkstrauertag - dem früheren Nazi-Helden-Gedenktag - zu verlegen. "Die NPD hat gemerkt, dass sie im August keine Chance hat. Ich könnte mir vorstellen, dass sie es schon im November nächsten Jahres wieder probieren wird", sagte er am Rande der Kundgebung der Deutschen Presse-Agentur. Seine Behörde werde allerdings versuchen, ein Verbot gerichtsfest zu begründen. Die Chancen für ein Verbot, das auch vom Verwaltungsgerichtshof akzeptiert werde, seien groß.

Das "Wunsiedler Bündnis gegen Rechtsextremismus" hatte sich bei seinen Aktionen am Samstag sichtlich darum bemüht, den Charakter einer Gegendemonstration zu vermeiden. Am Tag vor dem Volkstrauertag sollten nicht die Täter, sondern die Opfer in den Mittelpunkt gestellt werden, betonte Bürgermeister Karl-Willi Beck (CSU) bei einer Kundgebung auf dem Marktplatz der 10.000-Einwohner-Stadt.

Das Bündnis hatte daher zum Gedenken an die Opfer eines Todesmarschs im Jahre 1945 eingeladen. Bei der Verlegung von KZ-Häftlingen seien damals allein im Ortsbereich von Wunsiedel 30 jüdische KZ-Insassen ums Leben gekommen.

dpa