Meiningen. Den vieldeutigen Titel „Zeit“ hat die Ausstellung der Meininger Künstlerin Cordula Hartung, die morgen in der galerie ada eröffnet wird.

Entgegen allem Trend der Schnelllebigkeit scheint Cordula Hartung in ihren Arbeiten nicht nur viel Zeit investiert zu haben. Sie nimmt sich auch Zeit als Künstlerin, lässt sich nicht drängen vom Kunstmarkt und Verkauf der Werke. Und sie philosophiert zum Thema Zeit, ohne es vordergründig bildhaft zu machen – ganz für sich, zumeist geheimnisvoll. Wie beispielsweise in ihrer Installation „Mitschrift“.

„Mitschrift“ verschlüsselt

Auf quadratischen Buchbinderleinen-„Blättern“, die verbunden sind und von der Decke bis zum Boden im Raum hängen, hat die Meiningerin eine Art Tagebuch geführt. Geschrieben ist es nicht mit dem Computer oder einem Stift, sondern mit der Nähmaschine. Nur zum Teil sind die Worte lesbar, das meiste ist spiegelverkehrt oder in unlesbarer Krakelschrift.

„Diese Mitschrift ist über mehrere Jahre entstanden. Ich habe sie mit durchgehendem Faden von links nach rechts und umgekehrt zurück von beiden Seiten auf der Nähmaschine geschrieben.“ Allein das Drehen und Führen der Nähmaschine ist eine handwerkliche Kunst. Die künstlerische Idee und die Gedankenwelt, die Cordula Hartung im Rhythmus der Zeichen verschlüsselt hat, steht dahinter.

Veränderlichkeiten

Veränderlichkeiten reizen die Künstlerin zum Experiment. Auch das Gefühl der Bewegung. Sozusagen zu ihrem „Markenzeichen“ wurden ihre zwei- und dreidimensionalen, zum Teil sehr farbenfrohen Bilder aus Japanpapier. Sie bestehen aus unzähligen reliefartig aneinandergefügten Papierstreifen. In vielen Arbeitsgängen bearbeitet die Künstlerin dazu Papierbögen: färben, wachsen, färben, entwachsen, bemalen … bis das Farbergebnis stimmig ist. Danach reißt sie die Bögen über eine nasse Kante, damit weiche Strukturen entstehen. Durch das Aneinanderfügen der Papierstreifen entstehen Hell-Dunkel-Übergänge, die sich je nach Standort des Betrachters verändern. Etwa vier Monate arbeitet Cordula Hartung an einer solchen Arbeit aus Japanpapier.

„Aus sich selber schöpfen ist mir sehr wichtig, um den eigenen künstlerischen Weg zu finden“, sagt die Meiningerin, die an der Kunst- und Kreativschulen seit vielen Jahren in Textilkursen Handwerkliches von Patchwork, Quilt und Applikation an Hobbykünstlerinnen weitergibt. In ihrer eigenen Arbeit verwendet sie diese Techniken nur noch gelegentlich. In der ada-Ausstellung befindet sich eine Arbeit aus Japanpapier, die in Quilt-Technik „gesteppt“ ist.

Die meisten der ausgestellten Werke entstanden in den letzten zehn Jahren. Alle im eigenen Auftrag, aus einem kreativen Bedürfnis, wie die Künstlerin bekennt. Um Entwicklungen zu zeigen, hat sie eine Arbeit dazugehängt, die bereits 1988 entstand. Es handelt sich um eine Applikation mit dem Titel „Verständigung“, im Mittelpunkt ist ein Gesicht erkennbar.

Geschenksendung

Zu dieser Arbeit erzählt Cordula Hartung eine Geschichte aus DDR-Zeiten: „Dieses Werk hing in einer europäischen Ausstellung in Heidelberg und danach sogar im Nafe-Museum in Newston. Die Beteiligung war für mich nicht ganz einfach, da ich nicht im Künstlerverband war. Ich habe sie einfach als Geschenksendung per Post eingereicht und mich gefreut, als die Jury sie auswählte, selbst bin damals natürlich nicht in die Ausstellungen gekommen.“

Diese Zeit ist zum Glück vorbei. Seit 1991 ist die Meiningerin Mitglied im Verband Bildender Künstler Thüringen und der „Gruppe TAT“ (Textil Art Thüringen). In vielen Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland hat sie ihre Werke präsentiert. Nach fast 20 Jahren kehrt sie nun mit einer Personalausstellung zurück in ihre Heimatstadt. Als eine der ersten war sie hier in der galerie ada vertreten, die im Juni 1990 im Künstlerhaus am Schwabenberg gegründet wurde. Von den neuen Räumlichkeiten in der Bernhardstraße ist sie begeistert. „Es macht Spaß, die Bilder zu hängen und zur Wirkung zu bringen“, freut sich die Meiningerin.
Carola Scherzer