Tatsächlich könnte man sich einen Thüringer, der sich auf die Bühne stellt und über zwei Stunden sein Publikum unterhält, so wie einer in der Kneipe seine Kumpels den ganzen Abend voll plappert, nicht vorstellen. Sein angeborenes Temperament hat Kalle Pohl zum Komiker, Schauspieler, Sänger und Musiker werden lassen. Vorangegangen waren eine vierwöchige Kochlehre, eine Kaufmannslehre und eine Ausbildung zum Polizeihauptwachtmeister. Er arbeitet als Briefträger und Kellner, bis er sich auf den Naturtalent besann, Akkordeon spielte, Lieder sang, Gitarre studierte, Liedersammlungen und Musikbücher herausgab.
In seinem jüngsten Programm besinnt er sich auf den elterlichen Kiosk, in dem er als Kind schon seine Beobachtungen machte. In „Kalles Kiosk“ wird daraus der Kiosk – oder das Büttchen, wie man im Ruhrpott sagt – seines Onkels. Aus der Sicht des kleinen Mannes erzählt er über Gott („Wir sind Gast auf dem Planeten, bis Gott Eigenbedarf anmeldet.“) und die Welt, wie er sie erlebt. Er erinnert sich an den Onkel, der seinen Kunden anstelle von Wechselgeld, Gedichte vortrug. Er erzählt, wie er mit Kasperletheater die Kinder zum Einschlafen brachte, bis eines von ihnen mit Hip-Hop wieder alle weckte. Er machte sich als Vater einer pubertierenden Tochter Gedanken um die Jugendsprache, die er annimmt, um mit ihr zu kommunizieren. Er sinniert über die Alten mit Arschgeweih in Zukunft und eine vergreiste Kanzlerin in ihrem Büro. Er macht sich Gedanken über die kinderlose Gesellschaft und den ehemaligen Kanzler Schröder als Vorbild fürs Kindermachen: „oben große Klappe, unten Reformstau“.
Er singt zum Akkordeonspiel über die gehasste Ehefrau „Aber ich liebe dich“ (da hat er bei Charles Aznavour geklaut) und zelebriert ein komisches Figaro-Aida-Duett. Mag es an meinem Thüringer Temperament liegen, aber ich fand’s auf Dauer flach und zunehmend langweilig.
Carola Scherzer