Kultclub Pony Naziparolen auf Sylt – auch Gäste aus Süddeutschland dabei

Martin Tschepe, Kampen

Einen Tag nach Bekanntwerden des Skandal-Videos von Sylt hat sich unser Reporter am Kultclub Pony in Kampen umgeschaut. Wie ist die Stimmung – und was sagen die Betreiber mit einigen Tagen Abstand?

 
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Der Kultclub Pony auf Sylt. Foto: Martin Tschepe

Ein Kamerateam des Nachrichtensenders ntv hat sich am Freitag gegen 14 Uhr vor dem Kultclub Pony in Kampen auf Sylt in Stellung gebracht. Ein junger Mann und seine Freundin erzählen ins Mikrophon, dass sie empört seien. Wegen einer Szene, die am Pfingstsamstag auf der Terrasse der Bar im Sylter Nobelweg Strönwai, der sogenannten Whiskymeile, aufgenommen worden ist.

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Seit Donnerstag kursiert dieser 14 Sekunden lange Film im Netz, der sich im Nu weltweit verbreitet hat und die Pony-Betreiber in die Bredouille bringen. Auf dem Video sind offensichtlich leicht angetrunkene junge Leute, geschätzt um die 20 Jahre alt, zu sehen, die rechtsradikale Parolen grölen, etwa „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Ein Mann in weißem Hemd deutet den Hitlergruß an. Einen Tag später sind die ersten auf den Aufnahmen identifiziert – sie kommen aus Hamburg, aus München und dem Allgäu.

Passant will relativieren – Rechtsextrem ganz normal?

Das Pärchen vor dem Klub steht bei strahlendem Sonnenschein auf der Straße, die Frau erklärt gerade, dass sie und ihr Begleiter nicht Gäste des Ponys seien und nur mal vorbei geschaut hätten. Plötzlich echauffiert sich ein anderer Kampenbesucher, der des Weges schlendert. Mit lauter Stimme ruft der Mann in Richtung Reporterteam: „Nicht euer Ernst? Ihr wollte die Rechtsextremen filmen?“ Die Männer und Frauen, die in den Videoclip im Internet zu sehen sind, seien „doch Kinder“. Seine Message: alles nicht so schlimm. Dann poltert er noch in Richtung der Journalisten: „Ihr wollt doch nur verhindern, dass die AfD Stimmen bekommt.“ Und weg ist er. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wird später am Abend online titeln: „Ganz normal rechtsextrem“.

An diesem Nachmittag knapp sechs Tage nach der Straftat, die mittlerweile den Staatsschutz ermitteln lässt, sitzen auf der Terrasse des Clubs geschätzt maximal ein Dutzend Gäste. Ein Pony-Mitarbeiter antwortet auf die Frage, warum die Leute, die am Pfingstsamstag gegen 21.30 Uhr die rechtsextremen Parolen gegrölt haben, nicht sofort raus geschmissen worden seien: „Ich darf nichts sagen.“ Wenig später indes erklärt der junge Mann dann doch, dass er und auch seine Kollegen „wirklich“ nichts mitbekommen hätten von der Straftat, leider. Auf der Terrasse hätte am betreffenden Abend ein paar hundert Menschen gefeiert. Es sei völlig unmöglich gewesen, zu verstehen, wer was gesagt oder gesungen habe.

An diesem Freitagnachmittag im Frühling, der sich anfühlt wie Hochsommer, wollen die meisten Gäste auf der Pony-Terrasse lieber gar nichts sagen zu dem Video im Netz. Gehört davon haben vermutlich die meisten, denn im Pony geben sich die Reporter die Klinke in die Hand. Ein Urlauber - weißes Hemd, braun gebrannte Haut, Sonnenbrille - sagt: „Der Laden hier kann doch nichts dafür, das Pony ist gut - und die Currywurst auch.“ Dann grinst er. Alles ganz normal also?

Der Aufschrei, der seit dem Bekanntwerden des Videos durch das offizielle Deutschland geht, ist groß. Ungezählte Politiker haben sich geäußert und die Tat mit scharfen Worten verurteilt. Der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Beispiel bezeichnete die gegrölten Parolen als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“. Die Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Eine Schande für Deutschland.“ Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Sylter Gemeinden erklären in einem gemeinsamen Statement: „Wir haben für diese Gesänge null Toleranz. Dieses Verhalten ist für uns abstoßend und vollkommen inakzeptabel. Wir wenden uns in jeder Form gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit. Insofern begrüßen wir, dass die Betreiber der Bar sehr deutlich Stellung genommen haben.“ Auf Sylt lebten Menschen aus 113 Nationen friedlich miteinander. Die Insel begrüße Touristinnen und Touristen aus vielen Ländern. In diesen Tagen, in denen das Grundgesetz 75 Jahre alt werde, „während die liberale Demokratie unter Beschuss steht“, möchten die Lokalpolitiker „unmissverständlich klar machen: Solche Gäste brauchen nicht noch einmal nach Sylt zu kommen. Sie sind herzlich ausgeladen. Denn wir sind eine weltoffene Insel.“

Geschäftsführer ist auch selbstkritisch

Freitagabend in Kampen. Die Terrasse des Pony ist nun ordentlich gefüllt. Ein paar Gäste erklären auf Nachfrage sinngemäß: Das Gegröle der Parolen sei vermutlich ein Einzelfall gewesen und keinesfalls typisch für das Pony. Tom Kinder, 31 Jahre, ist einer von drei Pony-Geschäftsführern, er nimmt sich Zeit für die Journalisten, die kommen und gehen. Er ärgert sich allerdings auch über jene Reporter, die ungefragt die Gäste ansprechen. Kinder zeigt auf seinem Smartphone ein Video, das offenbar am Pfingstsamstag von einer Überwachungskamera aufgenommen worden ist. Zu sehen ist eine große, feiernde Menschenmenge auf der Terrasse der Bar.

Kinder sagt, am betreffenden Abend sei kaum mehr zu hören gewesen als eine dröhnende Geräuschkulisse. Das ist aus der Sicht des Geschäftsführers ganz klar der Beweis: Seine Mitarbeiter hätten unmöglich mitbekommen können, was passiert ist. Kinder gibt sich indes auch selbstkritisch, sagt, im Pony hätte der Song „L`amour toujour“ besser nicht gespielt werden sollen. Aber er und seiner Mitarbeiter hätten nicht gewusst, dass dieses Lied schon seit einiger Zeit von Rechtsextremen instrumentalisiert werde. Er habe sich erst im Nachgang informiert und herausgefunden: „L`amour toujour“ sei schon mehrfach missbraucht worden.

Das Pony, sagt Kinder, stehe für Vielfalt. Einer der Gesellschafter habe iranische Wurzeln. Und Angelo, der Mann hinter der Bar, hätte die Naziparolen grölenden Gäste ganz bestimmt sofort raus geworfen, wenn er denn etwas mitbekommen hätte. Als das Video viral ging, habe das Pony sofort die Polizei informiert. Man kenne die Namen von bislang einer Handvoll Gästen, die auf dem Videoclip zu sehen sind. Alle hätten Hausverbot, für immer. Das Pony werde sich zudem dafür einsetzen, dass diese Leute in möglichst vielen anderen Kneipen und Bars überall im Land zu unerwünschten Personen erklärt werden. Mindestens zwei der Leute, die im Pony die rechtsextremen Parolen gegrölt und gesungen haben, haben mittlerweile ihre Jobs verloren.

Noch klarer gegen rechts positionieren

Geschäftsführer Kinder sagt dann noch, die Sache habe vielleicht ein Gutes: „Rassismus bekommt ein Ohr.“ Sprich: Es werde nun bundesweit noch mehr darüber diskutiert, was getan werden kann und muss, damit solche Straftaten wie am Pfingstsamstag auf der Terrasse in der Whiskymeile in Kampen nicht mehr begangen werden. Auf der Internetseite des Ponys ist auf der Startseite zu lesen: In Zukunft werde sich der Club mit „noch klarere Kante gegen Rassismus, Faschismus und jegliche Form der Diskriminierung“ einsetzen. „Denn nie wieder ist jetzt! Kein Platz für Rassismus im Pony!“

Wer indes nur den Club in Kampen und die Insel Sylt in die Pflicht nehme, springe zu kurz, so Kinder sinngemäß. „Den Hindenburgdamm dichtmachen - und das Problem ist gelöst?“ Das sei zu einfach, so der Geschäftsführer. Und das ist eher eine schlechte Nachricht. Denn rechtsextreme Menschen gibt es ganz offenkundig fast überall in der Republik. Ganz normal?