Kriminalität Senioren und die Angst, leichtes Opfer zu werden

Eine ältere Dame telefoniert – bei unbekannten Anrufern ist Vorsicht geboten. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Der Anruf mit dem Enkeltrick, falsche Polizisten, die die Wertsachen „in Sicherheit bringen“ wollen, oder die erst am Wochenende massenhaft aufgetauchten angeblichen Mahnschreiben einer Lottogesellschaft: Stehen ältere Menschen in der Region besonders im Visier von Verbrechern?

 
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Die neueste Masche ist die Whats-App-Masche. Und die beginnt meist mit einer Nachricht auf dem in vielen Familien beliebten Messenger-Dienst. Diese Nachricht kommt von einer unbekannten Nummer: „Hallo Mama, mein Handy ist kaputtgegangen, das hier ist meine neue Handynummer.“ Und dann kommt kurze Zeit später von der neuen Nummer die Bitte, doch etwas Geld zu überweisen. Natürlich ist die angeblich neue Handynummer nicht die von der Schwiegertochter oder dem Enkelkind, das leider gezahlte Geld im falschen Kanal verschwunden.

Logisch: Das ist auch nur eine Spielart, des berühmten „Enkeltricks“: Bevorzug werden ältere Menschen als Opfer auserkoren. Vielleicht auch in einer anderen krummen Masche mit Horrorgeschichten eingeschüchtert, etwa dass ein Verwandter einen schweren Unfall verursacht habe und nun eine Kaution benötige. Als würde nicht immer und immer wieder gewarnt, dass es Kautionen wie in amerikanischen Krimis hierzulande nicht gibt. Wie allerdings auch den wiederkehrenden Polizeimeldungen in unserer Zeitung zu entnehmen ist, fallen doch immer wieder Menschen auf diese Maschen herein.

Nur ein Eindruck

Haben die Ganoven also vielleicht die Generation über 60 hier in der Region besonders als leichte Opfer auserkoren? Der Chef der Kriminalpolizei der Landespolizeiinspektion (LPI) Suhl, Andreas Beez, verneint. Auch wenn man den Eindruck bekomme, dass solche Dinge zugenommen haben – es sei eben nur der Eindruck.

Die Zahlen der Kriminalstatistik für die Region, die am Montag veröffentlicht wurden, geben die Interpretation als leichte Opfer nicht her. Demnach liegt der Anteil der über 60-Jährigen an den Opfern von Straftaten in Südthüringen bei 10,9 Prozent. Etwas mehr (11,3 Prozent) sind es bei den Opfern von Körperverletzung und bei den „Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ (13,7 Prozent). Weniger (6,2 Prozent) sind es den Daten zufolge etwa bei der Straßenkriminalität. „Wobei das nicht heißt, dass hier nicht auch mal einer älteren Frau auf der Straße die Handtasche entrissen wird“, sagt LPI-Chef Wolfgang Nicolai.

Der Eindruck, dass ältere Menschen besonders häufig hereingelegt werden sollen, hat nach Ansicht von Kriminaloberrat Beez eher damit zu tun, dass sie sich viel mehr Gedanken über das machen, was ihnen da so ins Haus flattert. „Habe ich da vielleicht doch irgendwo zugestimmt?“, fragen sich manche und befürchten, es vielleicht nur vergessen zu haben.

Erst vergangene Woche und an diesem Wochenende war das gut zu erleben, als vielen Menschen zwischen Sonneberg und Geisa Briefe einer angeblichen Anwaltskanzlei aus München ins Haus geflattert waren. Laut „Vorgerichtlicher Mahnung“ sollten sie 289,50 Euro für eine „EURO LOTTO ZENTRALE EURO JACKPOT-6/49“ zahlen. Immerhin: Dutzende Anzeigen gingen deshalb inzwischen bei der Polizei ein – die Anzeige-Erstatter haben wenigstens nicht gezahlt.

Briefe breit gestreut

Aber: Die hohe Zahl der Anzeigen zeigt eben auch, dass die Schreiben von den Empfängern ernst genommen werden. Man könnte sie auch einfach in den Papierkorb werfen. Beez vergleich es mit seinem E-Mail-Postfach: „Da bekomme ich auch andauernd Mails angeblich von meiner Bank, ich müsse die Kontodaten aktualisieren. Dabei weiß ich genau, dass ich gar kein Konto bei dieser Bank habe.“ Mit einem Klick werden solche Mails natürlich ungelesen gelöscht – und man macht sich weiter keine Gedanken darüber.

Es sind die Möglichkeiten der modernen Technik, die es den Ganoven ermöglichen, Millionen Mails an x-beliebige Empfänger zu versenden – und selbst wenn nur ein winziger Anteil der Empfänger darauf hereinfällt, lässt sich so ein beträchtlicher Gewinn machen. Ähnlich verhält es sich mit den angeblichen Lotto-Briefen: Fallen nur fünf Leute darauf herein, sind fast 1500 Euro kassiert – steuerfrei. Und die Masche ist besonders perfide, denn die Betrüger verlangen nicht einfach das Geld, sondern eine Lastschrift. Am Ende werden dann wahrscheinlich nicht nur die 289,50 Euro abgebucht, sondern gleich ganz das Konto leergeräumt.

Täter im Ausland

Früher haben sich die Betrüger noch die Mühe gemacht und im Telefonbuch nach älter klingenden Vornamen wie etwa Cäcilie gesucht. Das ist heute längst unmodern – viel breiter gestreute Anrufe oder Briefe machen die geringere Trefferquote längst wieder wett. Und das Verbrechen hat sich sowieso ins Internet verlagert – bei Whats-App finden sich eben auch mehr Omas und Opas als vielleicht auf Tiktok oder Discord.

Natürlich versucht die Polizei, dem Treiben möglichst Einhalt zu gebieten. Allerdings sind dem auch Grenzen gesetzt. Viele Telefonbetrügereien würden etwa aus dem Ausland heraus gesteuert, berichtet Kripo-Chef Beez. Mehr als ein Viertel (26,6 Prozent) der Straftaten im Bereich der Computerkriminalität sei etwa im vergangenen Jahr mit dem „Tatort Ausland“ registriert worden. Und auch bei den Telefonbetrügereien läuft das „Geschäft“ in der Regel über Callcenter, die im Ausland sitzen – wo aber die Anrufer so perfekt deutsch sprechen, dass dies gar nicht auffällt.

Daneben gibt es auch noch das ganz klassische Verhalten: „Gerade um den Monatsersten holen noch immer viele ältere Menschen ihre Rente auf der Bank oder Sparkasse ab“, berichtet LPI-Chef Nicolai. Deshalb versuche die Polizei mit ihrer Kriminalprävention gerade zu diesem Zeitpunkt in den Kreditinstituten vor Ort zu sein und die Rentnerinnen und Rentner zu schützen.

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