„Kinder bemerken bereits mit einem Jahr, wenn ihre Eltern über sie reden“, sagt Frank. Lange bevor sie selbst das Sprechen lernen, würden Kinder schon mitbekommen, was wir über sie erzählen. Ob es ein Lob ist oder eine Kritik.
Sagen Eltern häufig vor ihrem Kind, dass die Schwester im Aufräumen, Malen oder Fußballspielen besser ist, dann kann das sein Selbstwertgefühl beeinträchtigen, schließlich sind Kinder noch keine ausgereiften Menschen. Ihr Selbstbild muss sich erst noch entwickeln – und das hängt im hohen Maße vom Blick der Eltern ab, wie der britische Psychoanalytiker John Bowlby in seinem Buch „Bindung“ über die Eltern-Kind-Beziehung zeigt.
Wenn die „positive Rolle“ bereits vergeben ist
Allerdings komme es auf die Häufigkeit an, ob Vergleiche Kinder nachhaltig in ihrer Seele verletzten, sagt Frank. In dem Beispiel vom Spaghetti-Essen zählt demnach, wie oft man so etwas zum Sohn sage, ob man ihn beispielsweise täglich als schlechten Esser bezeichne, auch vor Nachbarn und Bekannten. Es kommt auch darauf an, ob seine Schwester ständig als positives Gegenbeispiel beleucht wird, auch bei anderen Verhaltensweisen.
Dann könnte der Sohn das Gefühl bekommen, er würde weniger geliebt werden. Gelegentliche Vergleiche, durch die Eltern nicht ständig das eine Kind abwerten, richten in der Regel noch keinen Schaden an. Problematisch wird es, wenn ein Kind immer als Vorbild gilt, das andere immer als Problemkind.
„Wenn die positive Rolle schon vergeben ist, hat das schwächere Kind keine Chance, es besser zu machen“, sagt Frank. Doch auch das andere Kind, die vernünftige Schwester, könne darunter leiden: Auch sie dürfe nicht aus der ihr zugeschriebenen Rolle ausbrechen und mal Quatsch machen, ohne die Liebe ihrer Eltern zu riskieren.
Und schlicht unfair wäre es, Kinder unterschiedlichen Alters in ihren Entwicklungsschritten zu vergleichen – wer etwa besser lesen kann. Das jüngere Kind kann den älteren Bruder naturgemäß gar nicht einholen.
Und was ist mit den Eltern?
Frank sagt, wenn Kinder sich in ihrer Leistung stark unterscheiden, dann sollten Eltern besonders darauf achten, dass das schwächere Kind nicht im Schatten seiner Geschwister steht. Sie könnten es für andere Stärken loben – und darüber sein Selbstbild verbessern. Es gilt, möglichst alle Geschwister in ihren individuellen Stärken und Schwächen wahrzunehmen, jedes Kind wertzuschätzen.
Was noch hilft? Sich dem Druck von außen nicht zu beugen. „Vertrauen haben in die Fähigkeiten seiner Kinder“, sagt Frank. Und Selfcare. Wenn Mütter und Väter mit ihrem eigenen Leben zufrieden sind, wenn sie mit ihrem Beruf gut zurechtkommen und Freundschaften pflegen, dann neigen sie viel weniger dazu, ihre Kinder zu vergleichen oder sie an ihren Leistungen zu messen.