Insgesamt ist die Menge der Zertifikate so festgelegt, dass sie jedes Jahr abnehmen, sodass wir in den Sektoren des Emissionshandels insgesamt auch die Klimaziele erreichen.
Und das funktioniert wirklich?
Man sieht das ganz gut bei den Sektoren, die im Emissionshandel drin sind. Seit 2005 sind die Emissionen dort um 37 Prozent zurückgegangen. In den Bereichen, die nicht vom Emissionshandel abgedeckt sind, ist der Rückgang recht gering.
Das klingt komfortabel: Wir müssen uns nicht mehr darum kümmern, was klimafreundlich ist und was nicht, sondern uns einfach nach den Preisen orientieren. Läuft man damit nicht Gefahr, die Klimabemühungen von Bürgerinnen und Bürgern zu untergraben?
Zunächst ist es doch gut und richtig, dass verschmutzendes Verhalten teurer wird. Es gibt aber auch noch viele Bereiche, die nicht im Zertifikatehandel sind, wo man zusätzlich etwas bewirken kann. Das ist neben den erwähnten Faktoren Heizen und Verkehr bei internationalen Flügen und in der Landwirtschaft der Fall.
Die Heizung auf Wärmepumpe umstellen, weniger Autofahren und weniger Fleisch essen liefert einen echten Beitrag.
Bei Emissionen, die man nicht verhindern kann, gibt es auch die Möglichkeit der Kompensation – viele machen das, um einen Flug über Anbieter wie Atmosfair durch Investitionen in Klimaprojekte ausgleichen. Auch für Unternehmen gibt es das. Wird das im Emissionshandel berücksichtigt?
Es gab eine Zeit, da durfte man Kompensationen als Alternative zu Emissionszertifikaten nutzen. Das hat die EU aber abgeschafft.
Und was halten Sie generell von der Kompensation?
Das ist eine Industrie, die im Entstehen ist. Die Sicherheit und Qualitätskontrolle werden auch besser. Deswegen würde ich Kompensationen nicht abschreiben, aber ich glaube, da ist noch einiges zu tun, damit Kompensationen einen sinnvollen Effekt haben.
In der gesellschaftlichen Debatte wird Klimaschutz oft als Entscheidung des Einzelnen betrachtet. Was halten Sie von diesem Klima-Individualismus?
Es ist gut, dass Klimaschutz bei einem Großteil der Bevölkerung angekommen ist. Aber ich habe ein Problem damit, dass man die Verantwortung auf die Menschen ablagert. Wir haben das in keinem anderen Politikfeld. Zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit: Wir sagen ja nicht, „bist du mit der Deutschen Bahn gefahren, weil die besonders viele Jugendliche ausbilden?“ Da muss sich die Arbeitsmarktpolitik und die Bildungspolitik darum kümmern, aber nicht jedes Individuum.
Das andere ist, dass wir auch in der Sache überfordert sind. Zum Beispiel Tomaten: Kaufe ich mir im Laden welche, die aus Spanien kommen, oder welche aus der Nähe, die aber aus dem Gewächshaus kommen. Was ist denn jetzt besser? Ist das Gewächshaus geheizt, wo kommt die Energie her, wie werden sie transportiert? Da gibt es wissenschaftliche Studien dazu, weil so viel zu berücksichtigen ist. Deswegen wird man am Ende mit der Entscheidung alleine gelassen.
Wenn wir es schaffen, Preise für CO2-Emissionen hinzubekommen, dann brauche ich nicht zu überlegen – was klimaschädlich ist, ist dann teurer, denn die Verschmutzung steckt in den Preisen ja drin.
Der Wirtschaftsforscher
Werdegang
Achim Wambach promovierte an der Uni Oxford in Physik und schloss danach ein Wirtschaftsstudium an der London School of Economics ab. Später habilitierte er in Volkswirtschaftslehre an der Universität München.
Karriere
Seit 2016 ist Wambach Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Er beriet unter anderem das Bundeswirtschaftsministerium und war Mitglied der Monopolkommission. In diesem Jahr veröffentlichte er das Buch „Klima muss sich lohnen“.