Kleine Galerie Verlorene Orte im Blick

Annett Recknagel

Ein liebevolles Gesicht der „Vergänglichkeit“ zeichnet Eberhard Wolff mit seiner Ausstellung in der Kleinen Galerie auf Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden

 
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„War das die Straße nach Wernshausen?“ Antje Halbig bejaht die Frage von Elke Lehmann. Die beiden Damen stehen lange vor dem Bild, das die ehemalige Kammgarnspinnerei zeigt. Eberhard Wolff hat es vor über zehn Jahren gemalt. Mit Pastellkreide hielt er den Gebäudekomplex fest. Unglaublich realistisch, faszinierend schön. Das sind alle 30 Bilder des Künstlers, der in der Uckermark geboren und in Berlin aufgewachsen ist. Zu sehen sind sie derzeit in der Kleinen Galerie auf Schloss Wilhelmsburg. Die Vernissage am frühen Donnerstagabend lockte zahlreiche Besucher dorthin. Museumsdirektor Kai Lehmann und Künstler Eberhard Wolff waren gleichermaßen froh, die Werke endlich zeigen zu dürfen. Bereits im März 2020 war die Ausstellung, die den Titel „Vergänglichkeit“ trägt, geplant. Das Corornavirus funkte dazwischen. Und zwar gehörig. Selbst der Ausweichtermin ein Jahr später konnte nicht gehalten werden. Erst jetzt wird es möglich, Wolffs Bilder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Umso größer war die Freude auf beiden Seiten. Der Künstler begrüßte zahlreiche Kollegen und Freunde, nahm Blumen in Empfang und wurde in Gespräche verwickelt. Dass ihn die Vergänglichkeit interessiert, ist in seinen Bildern auf den ersten Blick zu erkennen. Beinahe alle hat er mit Pastellkreide gezeichnet, nur für weniger verwendete er Acrylfarbe. „Nach der Wende bin ich mit dem Rad über die ehemalige Staatsgrenze gefahren und habe einen Pfarrgarten entdeckt“, erzählte er und zeigte das dazu gehörende Bild, so wie es sich ihm einst offenbarte. Unbewohnt, bewachsen, aber in voller Schönheit.

Diese „lost places“ sollten Wolff nicht mehr loslassen. Obendrein interessiert ihn die Architektur. Wie aber fand er den Weg nach Thüringen und speziell nach Schmalkalden? 1986 wohnte der Künstler in Mellrichstadt und kam dort mit Herbert Frübing in Kontakt. Der war von seinen Bilder begeistert und lud ihn ein, sie in den Fluren des Landratsamtes in Schmalkalden zu zeigen. Zweimal stellte Eberhard Wolff dort schon aus. „Wir blieben in Verbindung und Schmalkalden ist ja auch ein sehr hübsches Städtchen“, sagte Wolff. Irgendwann lernte er Kai Lehmann kennen, man unterhielt sich und so kam eins ins andere. „Eberhard Wolff zeigt die Wunden, die die Zeit geschlagen hat, aber nicht schonungslos und brutal, sondern fast liebevoll, scheinbar detailverliebt, zeigt er die Blessuren. So entsteht bei seinen Bildern eine Schönheit und Ästhetik auch noch im Verfall. Man spürt die Achtung des Malers vor der Geschichte. Er verhindert ein Vergessen und drückt diesen Industrie - und Stadtlandschaften den Stempel der Unvergänglichkeit, ja der Ewigkeit auf“, zitierte Lehmann zu Beginn seiner Laudatio Worte, die Herbert Frübing 2004 für den Künstler gefunden hatte. Wolff halte Vergessenes fest und erwecke sie beim Betrachter durch seine Bilder vor dessen geistigem Auge wieder zu Leben. Mit etlichen Bildern seien natürlich Geschichten verbunden, die manch einer ganz hinten in seinem Gedächtnis abgespeichert habe. Und eben durch das Betrachten von Wolffs Bildern erinnere man sich. „Die Bilder sprechen unser tiefstes Inneres an“, formulierte Lehmann. Das sei ein sehr wertvoller und wichtiger Bestandteil bildender Kunst. Beispiel Kammgarnspinnerei. „Was wurde damals alles diskutiert“, sagte Lehmann und erinnerte an viele politische Runden. Wenn ein Bild im Betrachter Emotionen auslöse, dann habe der Künstler alles richtig gemacht. Dabei könnten die Erinnerungen und Gedanken freilich nicht nur schön, sondern auch unschön sein. Interessant ist auch Wolffs Biografie. Erst 1981 begann er mit der Malerei. Vorher hatte er an der Pädagogischen Hochschule in Berlin studiert und sich nebenbei als Taxifahrer ausprobiert. Eine Zeit lang hatte er als Fahrlehrer gearbeitet. Sogar als Krankenpflege sammelte er Erfahrungen. 2005 zog es ihn nach Meiningen. In der Ausstellung sind Motive aus Schmalkalden, Meiningen und seiner früheren Heimat Berlin zu finden.

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