Ob früher alles besser war, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Es gab aber einmal eine Zeit, sie liegt noch gar nicht so lange zurück, da war die Freude über die Fünf-Tage-Woche groß. Da genoss man das Wochenende, die gemeinsame Freizeit. Auf dem Papier steht all das noch immer.

Doch in der Realität hat sich vieles geändert. Durch äußeren Zwang, aber auch durch eigenes Zutun. Der Außendruck: Das ist Sonn- und Feiertagsarbeit, das sind Öffnungszeiten der Geschäfte bis 22 Uhr und auch noch später, das ist der Schichtdienst. Alles hat sich in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet. Der Arbeitsprozess diktiert, die Verfügbarkeit der Mitarbeiter nimmt einen immer höheren Stellenwert ein. Dazu dann das Selbstverschuldete: Es ist jener Bereich der Kommunikation, dem wir uns fast schutzlos ausliefern und der uns rund um die Uhr auf Trab hält. Notebook, Blackberry, iPhone, E-Mail, SMS, Anrufbeantworter - das sind die Stichworte unserer ständigen Erreichbarkeit. So wird Wichtigkeit konstruiert, Prestigegewinn, Unersetzbarkeit. Früher ging man einmal am Tag zum Briefkasten ... Ich habe unlängst einem Kollegen eine keineswegs bedeutsame Nachricht an seine berufliche Mail-Adresse geschickt. Er antwortete kurz darauf - von seinem Urlaubsort auf Korsika aus. Weil er alle ankommenden Mails umleiten ließ, um immer auf dem Laufenden zu sein. Mein Kollege ist ein wichtiger Mann, ohne ihn würde sich die Erdachse verschieben und die Rotation unseres geliebten Planeten geriete in Gefahr ... Zusammengefasst: Die alten Grenzen zwischen Beruf und Freizeit werden niedergewalzt. Wir beschleunigen unser Dasein und versuchen, uns dabei selbst zu überholen. Der freie Mensch gerät in eine zu einem erheblichen Teil selbst verschuldete zeitliche Unmündigkeit und damit Unfreiheit. Mit erheblichen Auswirkungen auf Familie, Freunde, soziale Kontakte, auf Entspannung und Regeneration. Eine Gesellschaft wird nachhaltig umgekrempelt, nein: krempelt sich selbst um. Zur Erinnerung: Einst pflegte das Angelusläuten um 18 Uhr den Feierabend - heute ein Begriff aus der Mottenkiste - für die Tagelöhner einzuläuten.