"Nach dem Signal von Brandenburg habe ich die Hoffnung, dass es in Thüringen doch noch zu einem Politikwechsel kommt", sagt Bodo Ramelow. Und das ist ja auch sein gutes Recht. Was in diesen Tagen Thüringer Politik nur verwundert, ist, wie kritiklos von ganz vielen Seiten in diesem Zusammenhang ein bewusst gesetztes rhetorisches Mittel des Ober-Linken einfach übernommen wird.

Aus diesen oder jenen Gründen, so ist an vielen Stellen zu lesen und zu hören, haben Christoph Matschie und der SPD-Vorstand eine Entscheidung gegen einen "Politikwechsel" im Lande getroffen. Wie bitte? Es wird keinen "Politikwechsel" geben im Freistaat? Für alle Kurzzeitgedächtniskünstler sei noch einmal kurz zusammengefasst: Es ist noch gar nicht so lange her, da bildete in Thüringen (und das im zehnten Jahr) die CDU eine Alleinregierung mit (und das im siebten Jahr) Dieter Althaus als Ministerpräsidenten. Und jetzt? Althaus wird nicht mehr Regierungschef im Freistaat werden, und von dem "Weiter so", mit dem er im Wahlkampf im Wesentlichen für sich warb, hat sich die Union seitdem nicht nur rhetorisch, sondern in weiten Teilen auch inhaltlich längst verabschiedet. Und offensichtlich haben viele Christdemokraten auch eingesehen, dass dies der einzig gangbare Weg in die Zukunft ist. Die SPD hat, das kann man wohl schon jetzt vor dem Ende der Koalitionsverhandlungen sagen, gegenüber der CDU eine ganze Menge ihrer Positionen durchsetzen können. Dass in einer Koalition ein Partner nicht sein komplettes Programm durchbringen kann, ist eine Binsenweisheit - das wäre auch bei Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün nichts anders. Aber dass die neue Thüringer Regierung für eine neue Politik im Lande steht und damit einen Politikwechsel einleiten wird, liegt doch auf der Hand, wenn man Vorher und Nachher nur ein wenig vergleicht. Man sollte, auch wenn das politische Hin-und-her-Gezerre heftig wird, schon noch auf die Vokabeln, die man benutzt, achten. Das schafft einen kühlen Kopf und schärft den Blick auf die Wirklichkeit.