Das EM-Finale liegt gut einen Monat zurück. Die Fanmeilen sind geräumt, die schwarz-rot-goldenen Fahnen eingerollt und mit wenigen Ausnahmen wieder im Fundus verstaut. Da kann man sich in Ruhe noch ein paar Gedanken über Patriotismus machen.

Weniger über Fußballbegeisterung und Nationalmannschaftsbejubelung, die hinter uns liegen. Und überhaupt nicht über den unsäglichen CSU-Vorsitzenden Erwin Huber. Der hat unlängst sinngemäß verkündet, dass all jene, die seine Partei nicht wählen, keine Patrioten seien. (Das erinnert fatal an eine Rakete, die einst den Namen „Patriot“ erhalten hat.) Hier soll über Patriotismus gesprochen werden, wie er uns begegnen wird im Monat August, der gestern begann. Da sind einmal die Olympischen Spiele in Peking, die nächste Woche offiziell eröffnet werden. Es wird viel Stolz und Nationalbewusstsein über die Wettbewerbe schwappen, wenn Medaillen verteilt und Nationenwertungen aufgestellt werden. Doch ist das Patriotismus? „Eine Mischung aus Eigenliebe und Vorteil“, so hat Voltaire darüber geätzt. Und ist das Patriotismus, was China exerziert, um die Spiele zu einem (aus Sicht der Gastgeber) Erfolg werden zu lassen: in der Tibetfrage, bei den Menschenrechten, bei der Informationsfreiheit, in der Umweltpolitik? Ist Patriotismus, zugespitzt, „right or wrong, my country“? Wohl nicht. Eher das, was der US-amerikanische Politiker Adlai Stevenson vor einigen Jahrzehnten so definiert hat: „eine stille und unerschütterliche Hingabe während des ganzen Lebens“. Und was John F. Kennedy in die Formel gegossen hat, man solle nicht fragen, was das eigene Land für einen tun könne, sondern was man für sein Land zu leisten bereit sei. Womit wir bei den beiden anderen August-Ereignissen wären. Am 13. 8. 1961 wurde die innerdeutsche Teilung für über 28 Jahre zementiert. Und zum 21. des Monats wird man sich des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR vor 40 Jahren erinnern. Damals wurde falscher Patriotismus gefordert und wahrer Patriotismus am Boden zerstört. Es war dies eine tiefe Zuneigung zum Vaterland, wie sie auch 1956 zum Ungarn-Aufstand geführt hat und die dort ebenfalls brachial zertreten wurde. Ohne diese beiden Ereignisse wäre wahrscheinlich der Erfolg des 9. November 1989 in der DDR nicht möglich gewesen. So muss der Begriff des Patriotismus stets abgeklopft werden: Wie viel Loyalität darf mein Land von mir verlangen; wie sieht wohlverstandene Vaterlandsliebe aus; wie viel Kritik, wie viel Auflehnung, wie viel Widerstand gehört dazu; wie viel Leitkultur verträgt ein Gemeinwesen? Spannende Fragen, es darf diskutiert werden. – Zurück zum Fußball: In zwei Wochen startet die Fußball-Bundesliga ihre Saison, die wieder mit einer Fülle von Lokalpatriotismus unterlegt sein wird. Aber das ist ein anderes Kapitel.