Das ist eine richtige, eine schwerwiegende Krise, in der die katholische Kirche nach den in den vergangenen Tagen und Wochen öffentlich gewordenen Missbrauchsskandalen steckt. Und der Missbrauch, der in kirchlichen Einrichtungen offensichtlich weit größere Dimensionen einnimmt, als man bislang befürchten musste, ist nur eine nachrangige Ursache für diese Krise. Es ist der Umgang mit dem Missbrauch, der das Vertrauen in die Kirche und vor allem in ihre führenden Repräsentanten erschüttert. Statt offen, ehrlich und wahrhaftig Vergehen und Verbrechen anzusprechen, die von Kirchenmännern begangen wurden, haben die deutschen Bischöfe viel zu lange geschwiegen, auch heruntergespielt und haben - ein weitverbreitetes, gut bekanntes Verhaltensmuster - Täterschaft teilweise in eine Opferrolle umzudeuten versucht. Nach dem Motto: Die Medien fahren eine Kampagne gegen die Kirche, die Medien sind daran schuld, dass Kirche Vertrauen verliert. Und sie verliert dieses Vertrauen zunehmend - in der gesamten Gesellschaft, aber auch bei den eigenen Gläubigen. Die warten auf aufklärende Worte, auf Entschuldigungen, auch auf das offene Zugehen auf die Opfer. Gestern hat Papst Benedikt beim traditionellen Angelus-Gebet die Gelegenheit verstreichen lassen, solche Worte zu finden. Er hat geschwiegen. Kritik an diesem Schweigen wird vom Vatikan sogleich mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Kampagne abgebügelt. Wohlgemerkt: Es geht auch nach den jüngsten Veröffentlichungen nicht darum, dem ehemaligen Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger persönliche Schuld zuzuschieben. Aber Verantwortung hatte er damals - und er hat sie heute als Papst. Was wäre eine Erleichterung durch Kirche und Gesellschaft gegangen, wenn Benedikt XVI. ähnliche Worte gefunden hätte wie jetzt Hamburgs Erzbischof Werner Thissen, der in einer Predigt deutlich ausgesprochen hat, dass die Kirche gesündigt hat und dass sie das jetzt dringend aufarbeiten muss: "Denn alles, was unter den Teppich gekehrt wird, das fault, stinkt und verpestet die Atmosphäre. Das hat's ja nun viel zu lange gegeben." Die Gesellschaft braucht die Kirche - als einen Ort der Besinnung, des Nachdenkens, des Gebets, der Demut, auch als einen Ort der Freude und Wärme. Die Verantwortung tragen in der Kirche, müssen aufpassen, dass sie die Türen, die zu diesem Ort führen, nicht dauerhaft verschließen.