Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat gestern (nach einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar) erwartungsgemäß die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen gekippt. Eine bei der Stadtratswahl in Weimar gescheiterte FDP-Politikerin hatte dagegen geklagt. Ohne Zweifel ist das Urteil ein Sieg im Bemühen um mehr Bürgerbeteiligung am unmittelbaren politischen Geschehen, und deshalb auch grundsätzlich eine gute Entscheidung. Ob allerdings Grund zum Jubeln besteht, wird sich erst noch erweisen müssen. Frühestens am Abend der nächsten Kommunalwahlen. Liberale, Grüne, verantwortungsbewusste lokale Initiativen – sie alle sind selbstverständlich herzlich eingeladen und willkommen, am politischen Geschehen im direkten Umfeld mitzuwirken. Das kann nur nützlich sein. Je mehr Menschen sich aktiv einbringen in Gemeinderäten oder Stadtparlamenten, umso besser. Erst recht vor dem Hintergrund, dass sich von Wahl zu Wahl weniger Bürgerinnen und Bürger zur Kandidatur bereitfinden. Immer seltener gelingt es den demokratischen Parteien, ihre Vorschlagslisten zu füllen, mehr und mehr müssen gar Feuerwehr- oder auch Sportvereine antreten, damit den demokratischen Erfordernissen überhaupt Rechnung getragen werden kann. Das ist beklagenswert genug. Extremisten, Populisten und Rattenfänger allerdings haben derlei Probleme nicht, wie man weiß. Ihnen öffnet der Spruch der Verfassungsrichter nun Tür und Tor, das ist die unangenehme Kehrseite. Sie, die erklärten Feinde unserer Ordnung, werden jetzt jubeln und jede x-beliebige Stimmung gnadenlos ausnutzen, ihre widerwärtigen Parolen nunmehr hochoffiziell in den Räten wirkungsvoll in Szene zu setzen. Und wir, die zur Objektivität verpflichteten Berichterstatter müssen auch noch für den seriösen Transport in die Öffentlichkeit sorgen. Ob es uns passt oder nicht (wir erfahren heute schon das allgemeine Lamento). Ohne Umschweife: Es ist (hoffentlich nicht nur für uns) eine schier grauenhafte Vorstellung, künftig etwa Neonazis als demokratisch legitimierte, weil frei gewählte (und mit Steuergeldern ausgestattete!) Volksvertreter wahrnehmen und ihnen ein noch breiteres Podium geben zu müssen. Nicht nur unsere Bleistifte werden brechen ... Am vergangenen Mittwoch erst hat es Thüringens ehemaliger Ministerpräsident in seiner stz-Kolumne so formuliert: „Parteien, die offensichtlich Geist und Buchstaben unseres Grundgesetzes und unserer freiheitlichen Ordnung widersprechen, haben in deutschen Parlamenten nicht zu suchen, ... ihnen dürfen keine öffentlichen Finanzmittel zufließen“. Dem ist nichts hinzuzufügen.