Die deutsche Wirtschaft, immerhin Vizewelmeister bei den Exporten, zückt den Auftragsblock. Fachleute aus dem Ausland sollen en gros importiert werden, ohne bürokratisches Gedöns und politisches Geseiere. Aus Sicht der Thüringer Wirtschaft eine schöne runde Sache - und doch eine Angelegenheit mit Ecken und Kanten. Denn die Argumente, vor allem der Fachkräftemangel, lassen sich durchaus aus der Hand schlagen. Zum Ersten haben Unternehmen in den letzten Jahren die Ausbildung sträflich vernachlässigt. Noch heute schiebt der Markt eine Bugwelle an jungen Menschen ohne Berufsabschluss vor sich her. Zum Zweiten wurden viele in die Jahre gekommene Fachleute ausgesondert wie altes Eisen, das auf dem Schrottplatz landet. Dass die SPD die eigentlich sehr vernünftige "Rente mit 67" wieder kippen will, ist eine Folge der Unternehmenspolitik. Und zum Dritten verlassen nach wie vor viele junge, gut ausgebildete Menschen den Freistaat Thüringen. Oder noch schlimmer: Sie sind nach dem Studium weiter auf ihre Eltern angewiesen, weil sie keine Arbeit finden. Nein, vielen Unternehmen - längst nicht allen - geht es um etwas anderes. Sie wollen keinen deutschen Ingenieur für 40 000 Euro Jahresgehalt einstellen, sondern lieber einen Ausländer, der seine Ansprüche deutlich reduziert und den man dann leichter nach Hause schicken kann. Das bestätigen die Erfahrungen mit der Green-Card unter Kanzler Schröder. 100 000 Dollar wollten die wenigsten für den Spezialisten zahlen, der doch so unverzichtbar war. Das alles ist unfair gegenüber den vielen studierten und unstudierten Fachkräften, die mit dem Geld des Steuerzahlers in den heimischen Unis und Berufsschulen ausgebildet wurden. Sie haben keine Chance, ihre moralische Schuld zu tilgen: nämlich einen Teil des in die Hunderttausende gehenden Preises ihrer Ausbildung über Lohnsteuern an die Allgemeinheit zurückzuzahlen. Aber auch gegenüber dem Ausland ist das verstärkte Abwerben von Fachleuten unmoralisch. Das ist nichts anderes als "brain drain", also der Abzug von Gehirnen. Die Spezialisten werden auch in ihren Heimatländen gebraucht. Die Wirtschaft sollte also den alten und jungen Thüringern eine Chance geben. Und die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen neben guten Erzeugnissen auch die soziale Marktwirtschaft exportieren. Sie hat Riesenvorzüge gegenüber dem altmodischen Kapitalismus. Und zwar für die gesamte Gesellschaft.