Der aktuelle Spruch zum Tage: „Eine Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu neigt, sie zu missbrauchen.“ Das gilt für die Politik, für die Wirtschaft, für Religionen. Namen lassen wir diesmal außen vor, auch wenn uns ganz spontan Bush oder Berlusconi oder Mehdorn oder Ackermann oder islamistische Fundamentalisten in den Sinn kommen. Weiteres auf Anfrage. (Wobei, seien wir ehrlich, der Satz auf unseren eigenen kleinen Lebensbereich in Beruf und Verein und Familie ebenfalls zutrifft.) Die Erkenntnis ist allerdings keineswegs neu. Formuliert hat sie Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu. Und er hat 1748 in seinem wegweisenden Werk „Vom Geist der Gesetze“ die Konsequenz daraus gezogen. Das Ergebnis in Kurzfassung: die Trennung der Gewalten in Legislative, Exekutive und Judikative, also in gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt. Man sollte der Vollständigkeit hinzufügen, dass diese Gedanken damals bei der absolutistischen Obrigkeit und auch in der katholischen Kirche wenig populär waren. Aufzuhalten waren die Ideen nicht. Sie wurden ein entscheidendes Element in der Verfassung der Vereinigten Staaten 1787, theoretische Grundlage der Französischen Revolution zwei Jahre später; und sie sind Verfassungsprinzip aller modernen demokratischen Staaten. Warum diese Hinweise heute? Zunächst, weil morgen der 254. Todestag Montesquieus ist. Vor allem jedoch, weil die klassische Gewaltenteilung zunehmend aufgeweicht und ausgehebelt wird. An die vierte Gewalt, die Medien, hat man sich inzwischen schon gewöhnt. Doch aufgepasst: Wie oft paktieren sie, statt zu kontrollieren; wie häufig sind veröffentlichte und öffentliche Meinung absolut nicht mehr deckungsgleich. Dann die fünfte Gewalt, die Lobbyisten. Rund 2000 Organisationen sind allein beim Bundestag als Interessenvertreter registriert, mehr als 4500 Einzelausweise wurden ausgestellt. Zudem arbeiten in den Berliner Ministerien regulär sogenannte „externe Personen“, von Wirtschaftunternehmen und Interessenverbände entsandt – und auch von ihnen bezahlt. Das Allgemeinwohl dürfte dabei nicht unbedingt an vorderer Stelle stehen. Die sechste Gewalt: eine überbordende Bürokratie mit all ihren Kontroll- und Prüfinstanzen, die sich wie Mehltau über die klassischen Gewalten legt. Die siebte Gewalt: die Späher bei Bahn und Lidl und Telekom und … Wir sollten an dieser Stelle im Gedenken an Montesquieu innehalten. Ihm ging es um die Rechte des Individuums gegenüber dem Kollektiv, um Freiheit und Sicherheit des Bürgers gegenüber der Obrigkeit. Wenn wir, die Staatsbürger, nicht wachsam sind, verspielen wir diese Substanz, die unser demokratisches Gemeinwesen ausmacht.