Wenn man sich anhören muss, was George W. Bush über die Lage im Irak sagt (und über den Klimawandel und über die Rechtsstaatlichkeit von Guantanamo); wenn man registriert, was die Arbeitgeber im Tarifstreit verlauten lassen; wenn man staunend aufnimmt, wie der amtierende Ministerpräsident Oettinger dem ehemaligen Ministerpräsidenten Filbinger einen Glorienschein verleiht – wenn man dies und vieles mehr verinnerlicht, dann kommt unwillkürlich die Erinnerung an einen Großen dieses Faches: an Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen. Unsterblich ist der gute Mann geworden, weil zwei weniger reputierliche Zeitgenossen – der verkrachte Professor Rudolf Erich Raspe und der nicht sehr erfolgreiche Literat Gottfried August Bürger – ihm eine Menge erfundener Geschichten in den Mund gelegt und, schlimmer noch, diese anschließend auch zu Papier gebracht haben. Gedenken wir Medienschaffenden (in der gebotenen Ehrfurcht der Epigonen) deshalb aller drei, fragen wir aber auch schonungslos: Wie würde es dem „Lügenbaron“, als der er noch zu Lebzeiten zu seinem nicht geringen Ärger bezeichnet worden ist, heute ergehen? Könnte er mit ebensoviel Aufmerksamkeit rechnen wie damals? Hätte er Konkurrenz zu fürchten? Zweifelsfrei steht lediglich fest, dass er in diesen multimedialen Zeiten nicht mehr auf der Kanonenkugel reiten, sondern im Internet surfen würde, ein erfolgreicher Hacker wäre, Spams und Viren verbreitete und außerdem verschlüsselte Botschaften auf seiner Homepage zu lesen gäbe, die auch der deutsche Innenminister trotz aller Spähversuche nicht zu knacken vermöchte. Sonst aber? Was sind Münchhausens Schwänke gegen das illegale Bestechungsnetzwerk bei Siemens; was ist sein Seemannsgarn gegen die Steuerpläne des Wirtschaftsministers Glos; was sind seine Reiseberichte gegen die Bundeswehreinsätze rund um den Globus; was ist sein Jägerlatein gegen die Tiraden des Bischofs Mixa; was sind seine Märchen gegen die Treuebekundungen der Bundesligapräsidenten zu ihren Trainern Magath, Heynckes, Götz etc. Armer Baron: Die Wirklichkeit übertrifft bei weitem die Satire. Jede Interpretation des Staatshaushaltes ist der Fabulierkunst des Freiherrn hoch überlegen; jede Sottise des Fernsehzynikers Harald Schmidt ist ungeheuerlicher, jede Burleske des Fernsehclowns Stefan Raab ist unglaublicher als all das, was Münchhausen jemals abgesondert hat. Was aber, bitte, lehrt uns Nachgeborene all das? In diesen schaurigen Zeiten ist es allemal noch das beste Mittel zur Selbsthilfe, sich am berühmten eigenen Zopf eigenhändig aus dem Schlamassel zu ziehen – im Geiste Münchhausens, auf dessen 287. Geburtstag am heutigen 11. Mai wir anstoßen wollen.