Kirchenjubiläum Eine Jubilarin feiert ihren 300. Geburtstag

Wolfgang Swietek

Zu den Feierlichkeiten der Kirche St. Bartholomäus in Stressenhausen am bevorstehenden Wochenende haben sich Landesbischof Friedrich Kramer und Regionalbischof Tobias Schüfer angesagt.

 
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Stressenhausen - Die Geschichte einer Kirche in dem kleinen Ort Stressenhausen geht weit länger zurück als die 300 Jahre des jetzigen Gotteshauses, die nun am 28. und 29. August 2021 gefeiert werden sollen. Sie reicht über eintausend Jahre zurück und ist eng mit der des Ortes und einem Pilgerweg verbunden. Doch wie so viele Gotteshäuser in der Region war die Kirche von Stressenhausen im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden. Erst Herzog Friedrich Ernst I., der im Jahr 1717 in sein Amt berufen worden war, machte es sich zur Aufgabe, diese Kirchen wieder zu errichten. Noch bevor er die Christuskirche in der damaligen Residenzstadt Hildburghausen neu erbauen ließ, begann er im Jahr 1719 mit dem Wiederaufbau von St. Bartholomäus in Stressenhausen.

Im Jahr 1720 geweiht, sollte der 300. Geburtstag deshalb entsprechend im vorigen Jahr gefeiert werden. Doch die Corona-Pandemie machte der rührigen Kirchgemeinde einen Strich durch die Rechnung. Lediglich eine kleine Jubiläums-Linde wurde vor dem Gotteshaus gepflanzt. Am kommenden Wochenende soll nun die Feier nachgeholt werden, wenn auch in anderer Form als ursprünglich geplant.

Natürlich wird es am Sonntag einen Festgottesdienst mit Regionalbischof Tobias Schüfer geben, Landesbischof Friedrich Kramer wird das Festwochenende bereits am Samstag eröffnen. Dass die beiden hohen Kirchenvertreter die Einladung angenommen haben, dürfte neben dem runden Jubiläum noch einen anderen Grund haben.

Lange hatte sich die Kirchgemeinde von Stressenhausen um eine Förderung bei der KiBa, einer evangelischen Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland, für die Sanierung ihres Gotteshauses bemüht. Sie wurde im Jahr 2017 nicht nur gewährt, sondern auf der Vollversammlung der KiBa im Frühjahr 2017 aus 500 deutschlandweit geförderten Kirchen zur „Kirche im Monat Mai 2017“ gewählt. Am Ende des Jahres dann ein noch größerer Erfolg: Aus allen „Kirchen des Monats“ wurde eine „Kirche des Jahres“ gewählt. Bei diesem deutschlandweiten Ranking belegte Stressenhausen Platz zwei, es fehlten nur 100 Stimmen zum ersten Platz.

Grund für diese außergewöhnliche Würdigung dürfte das Baugeschehen zur Sanierung des Gotteshauses in den vergangenen Jahren gewesen sein. Im Jahr 2008 waren die Schäden am Dach der Kirche unübersehbar, eine Notsicherung wurde erforderlich, um weitere Gefahren abzuwenden. Und schließlich wurde der Beschluss zu einer umfangreichen Sanierung gefasst. Doch ohne eine Förderung überstiegen die Kosten die eigenen Möglichkeiten. Immer wieder stellte die Kirchgemeinde einen Antrag bei der KiBa, bat den Kirchenkreis Hildburghausen-Eisfeld und die Landeskirche um finanzielle Unterstützung. Doch Jahr um Jahr verging, ohne einen positiven Bescheid.

Im Jahr 2017 konnte dann endlich der Turm saniert werden, was im Jahr 2018 mit einem Turmfest gefeiert worden ist. Ein weiteres wichtiges Datum: Am 12. April 2019 haben sich viele Stressenhäuser, denen ihre Kirche am Herzen liegt, zur „Initiative Dorfkirche Stressenhausen 300“ zusammengeschlossen, um das große Jubiläum vorzubereiten. Denn natürlich sollte es im Jahr 2020 – am 300. Jahrestag der Wiedererrichtung der Kirche – ein großes Fest geben. Doch die Corona-Pandemie und die dadurch nötigen Sicherheitsbestimmungen machten diesen Plan zunichte. Lediglich eine kleine Linde, die in Stressenhausen typische Baumart, wurde vor der Kirche gepflanzt.

„Eine aufwendige Feier wird es in diesem Jahr dennoch nicht geben“, sagt Gerd Heim vom Gemeindekirchenrat. „Wir wollen beide Tage als eine Benefizveranstaltung durchführen. Die Kollekte und alle Spenden sollen den Flutopfern in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zugute kommen.“ Er hat dafür eine einleuchtende Begründung: „Wer so etwas schon einmal selbst erlebt hat, der weiß, wie dringend dann Hilfe gebraucht wird.“ Man müsse da nicht erst in die Chronik des Ortes schauen und an die Hochwasser in den Jahren 1871 sowie 1926 und 1927 erinnern, so Gerd Heim, als „das Wasser dem Dorf zuströmte und alles Gestein und Schlamm mit sich reißend, die Wege unpassierbar machte.“ Nicht vergessen sei bei den Einwohnern der 14. Juli 1995, als ein regelrechtes Jahrhunderthochwasser den Ort heimgesucht hatte. Deshalb könne jeder Einwohner des Ortes nachfühlen, wie es den Menschen in den beiden betroffenen Bundesländern vor Kurzem ergangen ist.

Ein weiteres Argument führt Gerd Heim an, warum die gesamte Kollekte des Jubiläums-Wochenendes für die Flutopfer gedacht ist: „Wir haben 40 Jahre lang gern die Hilfe ‚aus dem Westen’ angenommen. Die Glockenläuteanlage und die elektrische Turmuhr unserer Kirche sind mit Spenden aus dem anderen Teil Deutschlands finanziert worden. Jetzt ist es für uns eine moralische Pflicht, etwas zurückzugeben, wenn dort Menschen unverschuldet in Not geraten sind. Wenn man im Fernsehen diese Bilder und die Not dort gesehen hat, und das selbst alles schon einmal mitgemacht hat, ist es für uns alle ein Bedürfnis zu helfen. Egal wie hoch die Summe sein wird, die durch die Kollekte und die Spenden zusammenkommt, es soll zumindest die Verbundenheit mit den Betroffenen gezeigt werden. Pastor David Kröcker aus Bad Münstereifel, der das Hochwasser dort miterlebt hat, wird zu unserem Festwochenende kommen und uns von seinen Eindrücken in diesem Katastrophengebiet berichten.“

In einem Buch über Stressenhausen, das gerade erarbeitet wird, schreibt Gemeindekirchenrat Gerd Heim in seinem Vorwort: „Nicht nur in der Kirche gibt es Wandel, auch im weltlichen Leben hat sich viel verändert. Die Verwaltungsstrukturen werden immer größer. Für jeden Menschen ist es aber wichtig, sich einer konstanten Struktur zuzuordnen. Manche nennen es auch Heimat. Es ist unser Stressenhausen. Hier bist du zuhause, hier ist deine Familie, deine Freunde, dein Rückhalt und Rückzugsraum. Nachdem die politische Gemeinde in der Einheitsgemeinde aufgegangen ist, gibt es nur noch wenige Symbole Stressenhäuser Eigenständigkeit. Eines davon ist unsere Kirche. Das erste Haus im Dorf und Sitz eines guten Geistes. Der Ort, an dem vor 1000 Jahren die Besiedelung begann, mit der Anlage von zwei Furten über die Rodach. Aus einer frühchristlichen Kapelle für Pilger und Wallfahrer entstand unser kostbares Erbe, dessen Wiedererrichtung sich im Jahr 2020 zum 300. Mal gejährt hat.“

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