Kaiserliche Post Alte Dame zu neuem Leben erwecken

Erik Hande

Einst verschickten kaiserliche Postbeamte Briefe und Pakete von hier aus in die Welt. Nun wird für das 1879 in Betrieb genommene Postgebäude in Meiningen ein Nutzungskonzept gesucht. Erste Perspektiven haben sich jetzt ergeben.

 
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Die hölzernen Fensterläden fallen sofort in den Blick. Wo findet man sonst noch solche Blenden in Innenräumen? Im ehemaligen Kaiserlichen Postamt konnten Besucher sie in Augenschein nehmen und zum Thementag „bauen wohnen leben“ viel Wissenswertes zu dem alten Gebäude erfahren. Nach dem großen Stadtbrand von 1874 sei das Haus als Post- und Telegrafenamt im Stil der französischen Neurenaissance errichtet worden. Bis heute werde es von der Deutschen Post genutzt. Aktuell befindet sich allerdings nur noch eine Filiale im Erdgeschoss. Das Briefverteilzentrum, die Telegramm-Station und viele andere Einrichtungen der Post sind schon lange nicht mehr in dem markanten Haus an der Ecke Eleonorenstraße und Wettiner Straße zu finden.

Die Geschichte von der alten Rohrpost, die nach dem Prinzip eines Staubsaugers funktionierte und im Erdgeschoss aufgegebene Nachrichten hinauf in das Dachgeschoss transportierte, vernahmen die Besucher an dem Thementag ebenfalls noch. Vier Mitarbeiter des Telegrammdienstes verschickten damals, als es weder SMS noch Messengerdienste gab, Kurznachrichten in die ostdeutsche Republik und manchmal auch hinaus in die Welt. In den Jahren 1935, 1982 und den 1990er sowie 2010er Jahren wurde das Gebäude umgebaut und modernisiert. Einige Gauben reparierte derweil in DDR-Zeiten ein Postmitarbeiter schon einmal selbst. Das dafür notwendige Lötblei wurde seinerzeit eigens aus Leipzig herangeholt. Solche Episoden und andere Überlieferungen wurden bei der Besichtigung Ende Mai wieder wachgerufen. Fachkundige Details zur Bauausführung und zum gegenwärtigen Bauzustand gab es zudem von Thomas Gebhardt. Er ist seit August 2021 der neue Eigentümer und führte durch das einstige Kaiserliche Postamt.

Viele Fragen mit Blick auf die Zukunft sollte er Ende Mai beantworten. Wird das Gebäude erhalten, wer nutzt es derzeit überhaupt und was soll aus diesem markanten Haus werden? Finden Kunden dort auch weiterhin ihre Post, schließlich steht das Objekt zur Vermietung. Saniert werden soll es in diesem Jahr, ist auf der Homepage der Maklerfirma Gebhardt & Thelen geschrieben. Im Mai konnte Thomas Gebhardt die meisten Fragen noch nicht beantworten. Auch aktuell ist längst noch nicht alles spruchreif, aber inzwischen gibt es Verhandlungen mit Interessenten, erfährt Meininger Tageblatt auf Nachfrage. In dem Gespräch werden Konturen für die künftige Nutzung des Kaiserlichen Postamtes erkennbar.

Das Gebäude habe er im vorigen Jahr als Privatperson gekauft, erklärt Thomas Gebhardt. Der Eigentumsübergang erfolgte im August 2021. Eines stellt der Meininger sofort voran: Die Post hat mit ihm einen Mietvertrag abgeschlossen und möchte weiterhin in dem Gebäude ihre Dienstleistungen rund um Versand, Logistik und Finanzen anbieten. „Mein Wissensstand ist, dass sie weiter darin bleibt“, informierte er am Montag.

Post bleibt als Mieter

Ein anderer Interessent für das Gebäude mit einer Nutzfläche von rund 2500 Quadratmetern war bislang das Staatsarchiv Meiningen. Dieses suchte eine Erweiterungsmöglichkeit und hatte das Postgebäude, welches große und schwere Archivregale hätte aufnehmen können, durchaus als neues Domizil in Betracht gezogen. Allerdings wurde das Objekt in der Innenstadt später nicht mehr favorisiert. Dagegen interessierte sich nun eine Gruppe Ärzte für die Räumlichkeiten. Deren Anliegen ist es, in den dann dort ansässigen Praxen ambulante Operationen anbieten zu können.

Dafür käme das erste Obergeschoss mit seinen knapp 750 Quadratmetern Nutzfläche in Frage, von dem sich auch die Besucher des Thementages bauen.wohnen.leben kürzlich einen eigenen Eindruck verschaffen konnten. Vor allem die Glaskuppel, die viel Helligkeit in die dortigen Räume bringt, fand deren Gefallen. Bei einer Nutzung durch die Ärzte wären in den Flügeln des Erd- und des Dachgeschosses noch für weitere Büros und Praxen Platz vorhanden.

Ärzte oder betreutes Wohnen?

Interesse für das Objekt hat ebenfalls ein deutschlandweit tätiges Unternehmen, welches betreutes Wohnen anbietet. „Das scheint ohnehin der Renner in Meiningen zu sein“, bestätigt Thomas Gebhardt die verstärkte Nachfrage nach solchen Wohnformen in der Kreisstadt. Dieser Interessent, erläutert er am Montag, würde außer den Posträumen voraussichtlich das gesamte Objekt nutzen wollen. Unabhängig vom Ausgang der Gespräche plant Thomas Gebhardt den Anbau eines Fahrstuhls an das Postamt. Dieser soll im Hof auf der Rückseite errichtet werden.

Darüber hinaus sind auf jeden Fall die Sanierung der Fassade und des Daches an dem denkmalgeschützten Gebäude vorgesehen. Weitere Arbeiten ergeben sich aus den Anforderungen, die der oder die neuen Nutzer stellen. Die Gesamtinvestition beziffert der Eigentümer auf einen Kostenrahmen von etwa zwei bis zweieinhalb Millionen Euro.

Angesichts der gegenwärtigen Baupreisentwicklung dürften diese real aber nur schwer einschätzbar sein. Aus diesem Grund verzichtet Thomas Gebhardt aktuell auf das Einholen von Angeboten bei den Baufirmen und Handwerkern. Diese würden aktuell ohnehin oft nur eine Preisgarantie von ein bis zwei Wochen geben, beschreibt er das durch den Ukraine-Krieg, die globalen Transportprobleme und die Energiekrise derzeit komplett durcheinander geratene Preisgefüge.

Allein die großen Fenster denkmalgerecht zu erneuern, sei eine größere Investition, nannte Thomas Gebhardt ein Beispiel, für die man derzeit keine langfristig geltenden Angebote erhält. Das gelte ebenso für die Einbauten in den bis zu 4,44 Meter hohen Räumen, deren Gestaltung dem Bedarf der künftigen Mieter angepasst werden.

Nur eines ist sicher, so der neue Eigentümer: Das Gebäude wird in seiner jetzigen Erscheinungsform auch künftig das Stadtbild am Markt in Meiningen prägen.

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