In der Lautenbergschule Zum Projekttag ins Kinderhaus nach Namibia

Heike Fuhrmann
Selbst gekochtes Essen – wie in Namibia – wurde auf dem Schulhof der Lautenbergschule gemeinsam probiert. Foto: Heike Fuhrmann

Seit Jahren engagiert sich der Lionsclub Suhl/Zella-Mehlis für ein Kinderhaus in Namibia. Bei einem Projekttag in der Lautenbergschule wurde über das Hilfsprojekt informiert.

 
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Es beeindruckt mich immer wieder, was das Projekt Namibia mit den Menschen hierzulande so macht. Zum diesjährigen Schulbeginn lud mich die Lehrerin der sechsten Klasse der Lautenbergschule, Kerstin Jarkusch, zu einem Projekttag ein. Die Kinder hatten vor den Ferien bei der Verlosung der Eintrittskarten des Lionsclubs Suhl/Zella-Mehlis für das Meeresaquarium gewonnen und bei der Übergabe der Karten durch eine Lionsfreundin von dem Projekt erfahren. Sie schien mit wenigen Sätzen große Aufmerksamkeit erzielt zu haben, denn die Lehrerin plante nun zum Vorstellen des Projektes den gesamten Vormittag ein. Als ehemalige Lehrerin fragte ich mich, wie ich drei Stunden die Aufmerksamkeit der Kinder halten soll? Die Kinder sind ja heutzutage nicht lange begeisterungsfähig. Und 23 Kinder haben unterschiedliche Charaktere und unterschiedlichen Erwartungen. Ich hatte schon ein wenig Bauchschmerzen und sah mich gedanklich vor einer Klasse stehen, die sich nach zehn Minuten Fotos und Videos von afrikanischen Kindern genervt und gelangweilt abwendet.

Deshalb bat ich meinen langjährigen Afrikabegleiter Enrico Schreier, mich an dem Tag zu unterstützen. Allerdings kam alles ganz anders und ich habe das erste Mal wieder Hoffnung geschöpft, dass unsere Kinder fernab von Tik Tok, Snapchat- und TV-Vernebelung Lust auf mehr haben. Ich habe über drei Stunden Kinder erlebt, die neugierig aufs Leben sind und das Leben und die Weltpolitik hinterfragen.

Live-Schaltung nach Afrika

Die Lautenbergschule ist dankenswerterweise technisch sehr gut ausgestattet mit Apple TV, ipads, großem Fernseher im Klassenraum, gutes Internet, große Leinwand in der Aula. Das machten wir uns zunutze und eröffneten den Projekttag mit einer Live-Schaltung zu den Kindern des Kinderhauses nach Namibia. Dort ist gerade Winter und die kleinsten, zwischen drei und vier Jahren, saßen mit Mützen und dicken Jacken schüchtern auf ihren kleinen Plastestühlchen in der fensterlosen Blechhütte. Die Schüler erhielten zu Beginn Zettel mit Namen der Kinderhaus-Kinder, lasen diesen, teilweise sehr schwierigen Namen vor, und das namibische Kind stand dazu auf und sagte: „Hallo oder good morning“. Nach der ersten Vorstellungsrunde mit den Kleinsten wechselten wir zu den Fünf- bis Sechsjährigen, die in einer anderen Hütte untergebracht sind. Hier spürte man plötzlich eine viel intensivere Dynamik zwischen den Schülern hier und den Kindern fast 11 000 Kilometer entfernt. Viel aufgeschlossener, neugieriger, man schenkte sich ein Lächeln. Unsere Schüler auf der Bühne der Aula sitzend mit Blick auf die große Leinwand und die Kinder des Kinderhauses dicht vor dem Handy in die andere Welt einer Schulaula blickend.

Genau das war mein Ziel, erst einmal eine Brücke bauen und gegenseitige Beachtung schenken, ein zartes Kennenlernen von Kindern, die unterschiedlicher nicht aufwachsen können. Nach der Liveschaltung zeigten wir den Schülern Fotos und Videos vom Kinderhaus, von den Blechhütten, den Townships und erzählten über das Leben der Kinder dort. Ich war überwältigt, wie gespannt alle zuhörten, über die vielen Fragen und die laut geäußerten Gedanken. Nur einmal etwas zu Essen am Tag und manchmal auch gar nichts? Warum haben die Menschen kein Geld? Warum gehen sie nicht arbeiten? Wieso gibt es keine Arbeit?

Um den Schülern eine Vorstellung zu geben, wie groß eine Blechhütte in den Townships ist, in denen drei bis fünf Personen leben, malten wir gemeinsam mit den Schülern auf dem Schulhof solche drei mal fünf Meter große Hütten mit Kreide auf den Asphalt und versuchten, diese wie daheim einzurichten. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, es war nicht genug Platz für alle Betten. Beim Aufmalen erzählte ich, dass mehrere Menschen in einem Bett schlafen, dass es meistens keinen Tisch oder Schrank gibt und alle Anziehsachen in Tüten gestappelt in der Hütte liegen. Neue Fragen kamen hinzu. Was ist mit den Schulsachen, mit Spielzeug, wo ist eine Toilette, eine Dusche... Einige Schüler empfanden dieses Leben in den kleinen Hütten fast vorstellbar und spannend. Das wunderte mich zunächst, aber beim Belauschen der Gespräche untereinander wurde mir der Grund bewusst. Es war eine schöne Vorstellung, so nahe als Familie beieinander zusein.

Damit nicht 23 Schüler gleichzeitig den Schulhof blockierten, teilten wir die Schüler in zwei Gruppen. Die andere Gruppe kochte mit Enrico Schreier in der Schulküche ein Essen, wie es die Kinder im Kinderhaus in Namibia oft bekommen, Maisbrei mit einer Art Soja-Zwiebel-Möhrensoße. Damit die Kinder aus den Townships wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit bekommen, wird im Kinderhaus für sie gekocht. Am Freitag essen sich die Kinder noch mal satt, weil es am Wochenende in manchen Familien nicht genug zu Essen gibt, berichtete er.

Die Schule mit gute Gefühl verlassen

Am Ende setzten sich die Schüler mit ihren Tellern und selbst Gekochtem auf den warmen Asphalt mit den aufgemalten Blechhütten. Das Essen reichte nicht für alle und so beschwerte sich ein Schüler, weil er nichts mehr bekam. Da hörte ich ruhig einen anderen Schüler sagen: „Sei doch froh, du hattest doch heute wenigstens schon was zu essen!“ Da kam in mir eine innere Freude hoch, denn genau das war meine Intention: Unsere Kinder für mehr Zufriedenheit zu sensibilisieren und es auch mal hinzunehmen, wenn man etwas nicht bekommt. Ich habe die Schule mit einem sehr guten Gefühl verlassen.

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