Höhepunkt überschritten? Die Grippe ist dieses Mal viel früher dran

Erst Januar – und viele hat es in dieser Saison schon erwischt. Foto: picture alliance / Maurizio Gambarini/dpa/Maurizio Gambarini

Dass im Winter gefühlt jeder Zweite schnieft und hustet, wird als normal empfunden. Auch in dieser Saison. Die Grippewelle war allerdings viel früher dran und vergleichsweise heftig.

 
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Vor lauter Corona waren Erkältungs-Viren wie Influenza-, Rhino- und RS-Viren fast schon in Vergessenheit geraten – um so heftiger schlug die Grippewelle in der aktuellen Saison zu: Wie das Thüringer Gesundheitsministerium am Freitag meldete, sind seit dem Herbst bislang 61 Influenza-Todesfälle aus dem Freistaat gemeldet worden. In 50 Fällen sei dabei die Virusgrippe als unmittelbare Todesursache gewesen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Demnach sind weitere elf Erkrankte an einer anderen Ursache gestorben, waren aber gleichzeitig mit der „echten“ Virusgrippe infiziert.

In dieser Woche hatten bereits Meldungen die Runde gemacht, dass die Grippewelle abflacht – was für diesen frühen Zeitpunkt sehr ungewöhnlich ist. Typischerweise beginnt die Grippewelle im November und erreicht ihren Höhepunkt erst im Februar und März. Doch dieses Mal wurden die ersten Meldungen schon in den Herbstferien im Oktober registriert. Und so verweist auch der Münchner Virologe Oliver Keppler darauf, dass die Grippewelle auf der Südhalbkugel – im australischen Winter vor einem halben Jahr – ebenfalls um bis zu zwei Monate früher dran gewesen sei.

Schlimmste Welle seit vielen Jahren

Ist damit also das Schlimmste bereits überstanden? Die Bilanz des Thüringer Gesundheitsministeriums jedenfalls erweckt diesen Eindruck: Bis zum Donnerstag jedenfalls seien neben den 61 Todesfällen insgesamt mehr als 21 300 Grippe-Fälle im Freistaat registriert worden. Das ist noch einmal einiges mehr als in der gesamten Grippe-Saison 2017/18, die am Ende als eine der schlimmsten seit vielen Jahren galt: Die Bilanz waren damals in Thüringen 26 Tote und mehr als 16 400 gemeldete Erkrankungen. Zum Vergleich: In der letzten Grippewelle vor Corona – also 2019/2020 – waren rund 9300 Erkrankte gemeldet worden.

Den Daten aus Erfurt zufolge wurden in der zweiten Januarwoche in Thüringen noch 195 neue Grippefälle amtlich registriert – ein deutlicher Unterschied zu den mehr als 5100 Fällen in der vierten Adventswoche 2022. Seitdem sei die Zahl der wöchentlich erfassten Neuerkrankungen kontinuierlich zurückgegangen. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht in seinem aktuellen Wochenbericht davon, dass die Grippewelle ihren Höhepunkt überschritten habe. Seit mehreren Wochen gehe die Aktivität nun schon zurück – während in den Saisons vor der Corona-Pandemie die Grippewelle meist erst nach dem Jahreswechsel begonnen habe. Aktuell liege die Zahl der Arztbesuche wieder im Wertebereich der Jahre vor der Pandemie, heißt es beim RKI.

Kleine Kinder haben eher RSV

Laut RKI sind es in dieser Saison zudem nicht so sehr die Influenzaviren, sondern vor allem Respiratorische Synzytialviren (RSV), die besonders bei Kindern und Erwachsenen ab 60 Jahren für akute Atemwegsinfektionen sorgen – was umgangssprachlich oft auch als grippaler Infekt bezeichnet wird. Gerade kleine Kinder seien für RSV empfänglich. Die Erreger verursachen hier grippeähnliche Symptome wie Fieber, Husten, Schnupfen und Mittelohrentzündungen.

Als mögliche Ursache für die vergleichsweise frühe und heftige Grippe- beziehungsweise Atemwegsinfekt-Saison gilt indes die Corona-Pandemie. Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, erhöhte Hygienemaßnahmen und auch Schul- und Kindergartenschließungen wirkten nicht nur gegen Corona-Infektionen, sondern auch Grippeausbrüche. In den vergangenen Jahren sei die Bevölkerung weniger mit dem Influenzavirus in Kontakt gekommen, sagt etwa die Landesgeschäftsführerin der Barmer, Birgit Dziuk. Sie hatte im Herbst bereits geworben: „Da das Immunsystem über zweieinhalb Jahre weniger trainiert wurde, ist die Grippeschutzimpfung in diesem Herbst um so wichtiger.“

Gewisse Dunkelziffer

Andere mögliche Erklärungen für das frühe Auftraten der Grippe könnten der aktuell zirkulierende Influenza-A-Stamm sein – oder aber die immer weiter reduzierten Corona-Maßnahmen. Dies lasse sich anhand der vorliegenden Daten jedoch nicht auseinander dividieren, so der Münchner Virologe Keppler.

Die amtlich erfassten Zahlen geben allerdings nur einen unvollständigen Überblick über das tatsächliche Infektionsgeschehen. Gemeldet werden in der Regel nur die mittels Labordiagnostik bestätigten Erkrankungen. Viele Ärzte verzichten aber wegen der meist eindeutigen klinischen Symptome auf eine solche Diagnostik. Entsprechend ist von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen.

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