Heimat Heimat-Ansichten im Überseecontainer

Ilga Gäbler
Die kleine Johanna lässt sich von ihrem Papa Tino Fladung zeigen, wie ein Krauthobel funktioniert. Foto: Ilga Gäbler (43)

Seit Tagen drehte sich in Steinbach vieles um ein großes Wort – Heimat. Jeder verbindet damit ganz eigene Gefühle. Das zeigte sich auch zum Familiennachmittag am Samstag auf dem Markt.

 
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Steinbach - „Heimatgefühle“ unter diesem Motto stand in Steinbach am Samstag auch der Familiennachmittag. Er lud zum Gespräch miteinander ein. Dabei schwang der Begriff „Heimat“ immer mit – ohne jedoch explizit genannt zu werden.

Mit dieser Veranstaltung fand eine außergewöhnliche Aktionswoche im Bad Liebensteiner Stadtteil Steinbach ihr Ende. Fast jedenfalls. Denn am Sonntag stand noch ein Frühschoppen aus. Die Woche begann damit, dass am Montag plötzlich ein Überseecontainer mitten im Bergdorf stand – auf dem Markt neben dem „Grünen Baum“. Und natürlich sorgte er für Aufsehen.

Aufgestellt hatten ihn die Organisatoren der Mobilen Kulturvermittlung „Kultur.Acker“ der Landesarbeitsgemeinschaft Thüringer Jugendkunstschulen. Partner in Steinbach war die Kunstschule in Schweina, und als Organisatoren fungierten hier Jörg Wagner, Ines Britz und Tim Zeidler.

„Wir unternehmen mit unserem Container vom 10. Juli bis zum 30. August eine Forschungsreise durch den Freistaat“, erklärte Jörg Wagner von der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendkunstschulen. „Steinbach ist dabei eine von sieben Stationen. Danach ziehen wir weiter nach Meiningen.“ Eines schaffte der Container auch im Bergdorf: Er brachte die Einwohner dazu, intensiver über ihre Heimat nachzudenken. Was bedeutet sie ihnen? Wie klingt sie, wie sieht sie aus, macht sie Freude...?

An den verschiedenen Wochentagen wurde der Container zum Aktions- und Ausstellungsraum, zum Erzähl-Café oder auch zur Werkstatt. Rundherum und vorm „Grünen Baum“ standen Tische, Bänke und Stühle, um beieinander zu sitzen.Am Samstag hatten Gerda Ullrich und die ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer von der Steinbacher Heimatstube den Container in eine Art Außenstelle ihres Museums verwandelt. Ihre kleine, aber doch sehr anschauliche Exposition betitelten sie mit „Steinbacher Ansichten“. Da begegneten dem Betrachter zum Beispiel auf einem Foto Arbeiter vor einer Schleifkote. Eine Aufnahme von 1908 zeigte eine Männer-Gruppe vor dem „Steinbacher Hammer“. Erinnert wurde per Bild auch an die Sprungschanze oder an einen Auftritt der Trachtengruppe gemeinsam mit Thüringens berühmtem Volksmusikkönig Herbert Roth. Ute und Herbert Ilgen aus Barchfeld, die am Samstag auf Radtour waren, machten halt in Steinbach. Sie waren neugierig geworden. Mit großem Interesse sahen sie sich die Fotos an. „Wir wollen damit an Häuser und frühere Ecken in Steinbach erinnern, die heute völlig anders aussehen“, erklärte Gerda Ullrich den Sinn der kleinen Foto-Auswahl. Außerdem gehörte zu den ausgestellten Schätzen ein altes, typisch Steinbacher Rezept, wonach die Frauen einst einen Wiesenspinat zubereiteten, den die Einheimischen „Schluche“ nennen.

Vorm Container konnte vor allem der Nachwuchs ganz praktische Erfahrungen sammeln. Ida und Jaret probierten aus, wie es war, als die Vorfahren das Schreiben mit dem Griffel auf der Schiefertafel erlernten. Sie hatten ihren Spaß dabei. Nebenan führte Anni Schirmer mit einer Puppe vor, wie die Mütter anno dazumal ihre Babys im „Hockmantel“ spazieren trugen. Die kleine Johanna ließ sich von ihrem Papa Tino Fladung zeigen, wie ein Krauthobel funktioniert. „Ich finde es gut, dass wir unseren Kindern solche Dinge heute noch vorführen können“, sagte Annekatrin Fladung, Johannas Mama. Eine Selbstverständlichkeit war es für die Ortschronisten aus den benachbarten Stadtteilen Schweina und Bad Liebenstein, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Johanna Fischer, Eike Biedermann, Thomas Gründel und Rainer Koch präsentierten unter anderem Informationen über eine soziale Einrichtung, die Erhard Friedrich Hund von Wenkheim 1708 in Schweina gründete. Es handelte sich um ein Hospiz- und Waisenhaus. Eike Biedermann betonte, dass es besonders heute in der schnelllebigen Zeit sehr wichtig sei, Historie wachzuhalten, damit sie nicht verloren gehe.

Die Bad Liebensteiner Natur- und Heimatfreunde vertrat Chronist Wolfgang Malek. Er nutzte die Gelegenheit und stellte sein vor wenigen Wochen erst erschienenes Buch vor, in dem er die Geschichte von 78 Häusern in Bad Liebenstein und von deren Bewohnern erzählt.

Mancher brachte, wie Ruth Patz, einfach nur Fotos oder Lieblingsgegenstände mit, um die Ausstellung zum Thema „Heimat“ zu bereichern. Bei Kaffee und Kuchen entspannen sich angeregte Unterhaltungen. Anni Schirmer und Birgit Malsch ließen den Kuchen, gebacken von verschiedenen Vereinen und kredenzt von Ines Britz, schmecken. Für die Getränke sorgte die Genossenschaft „Grüner Baum“.

Jörg Wagner freute sich über den Zuspruch der Besucher - auch wenn es ein ständiges Kommen und Gehen war. Vor allem gaben die Einwohner selbst so manchen Impuls, um das Leben im heimatlichen Steinbach noch lebenswerter zu machen. „Ein kreativer Gedanke kam auch von den Jugendlichen“, sagte Jörg Wagner. „Sie wollen mehr gehört werden und wünschen sich in der Stadt ein Jugendparlament.“

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