Im vergangenen Jahr startete ein Forschungsteam des Imperial College in London die bisher eingehendste Erforschung des Vulkans. Das Team nutzte neueste tomografische Methoden und Bohrungen, um den Meeresboden unter dem Krater zu untersuchen. Die im vergangenen Herbst im Fachmagazin „Geochemistry, Geophysics, Geosystems“ veröffentlichten Forschungsergebnisse sind beunruhigend.
Um 1500 vor Christus explodierte der Vulkankegel
Unter dem Krater sammelt sich aufsteigendes Magma. Geschätzt vier Millionen Kubikmeter zähflüssiges, geschmolzenes Gestein steigen pro Jahr aus der Tiefe auf. Irgendwann wird der Druck so groß werden, dass er sich wieder in einer in einer gewaltigen Eruption entlädt wie im Jahr 1650. Heute könnten die Folgen noch viel katastrophaler sein. Denn Santorin ist viel dichter besiedelt als beim letzten Ausbruch vor 373 Jahren.
Ihre einzigartige Landschaft verdankt die Insel ihrer Entstehungsgeschichte. Was heute eine an drei Seiten wie von einer Mondsichel umschlossene Bucht ist, war ursprünglich ein riesiger Vulkan, an dessen Hängen gegen 2000 vor Christus die ersten Siedlungen der kykladischen Kultur entstanden. Um das Jahr 1500 vor Christus, so haben die Geologen errechnet, explodierte der Vulkankegel und hinterließ einen fast 400 Meter tiefen Krater, der sich mit Meerwasser füllte. Übrig blieb nur der aus dem Meer ragende Kraterrand – das heutige Santorin. Der Vulkanausbruch von Santorin, so meinen viele Wissenschaftler, war die gewaltigste bisher bekannte Katastrophe dieser Art.
Unter dem Meeresboden bildet sich eine Magmablase
Geologen und Archäologen vertreten die Theorie, dass die durch den Ausbruch ausgelösten Tsunamis die Küstenregionen der 100 Kilometer südlich gelegenen Insel Kreta verwüsteten und so zum Untergang der minoischen Kultur führten.
Es gibt zwar keine Anzeichen dafür, dass sich die Katastrophe von vor 3500 in absehbarer Zukunft wiederholen wird. Aber es bahnt sich offenbar ein neuerlicher Ausbruch des Kolumbos an. Die jüngste Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich seit der Explosion von 1650 in einer Tiefe von zwei bis vier Kilometern unter dem Meeresboden erneut eine Magmablase bildet.
Der Ausbruch droht innerhalb der nächsten 150 Jahre
Das Reservoir hat die Form eines Pilzes. Der ständige Zustrom frischen Magmas aus der Tiefe ist so stark, dass sich das glutflüssige Gestein nicht abkühlt. Dadurch verstärkt sich der Druck in Richtung auf den Meeresboden. Wenn das rund 1000 Grad heiße Magma durch den Meeresboden bricht, droht erneut eine Explosion des Vulkans.
Wie viel Zeit bis zu einem Ausbruch des Kolumbos noch bleibt, lässt die Studie aber offen. Der gegenwärtige Zustand des Magmareservoirs zeige an, „dass eine explosive Eruption in Zukunft möglich ist, aber nicht unmittelbar bevorsteht“. Der Leiter des Forschungsteams, der Geophysiker Kajetan Chrapkiewicz vom Imperial College, nennt ein Zeitfenster von etwa 150 Jahren. Spätestens dann könnte die Magmablase wieder das Volumen wie vor der Eruption im Jahr 1650 erreicht haben. Die Wissenschaftler empfehlen, Kolumbos permanent zu beobachten. So wäre es möglich, eine bevorstehende Eruption rechtzeitig zu erkennen und die Menschen von der Insel zu evakuieren.