Griechische Urlaubsinsel Santorin: Wann erwacht der Vulkan?

Gerd Höhler

Für viele Griechenlandreisende ist Santorin der Sehnsuchtsort schlechthin. Aber die Idylle trügt. Der Störenfried liegt unter dem Meeresboden und könnte einen Tsunami auslösen.

 
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Die griechische Insel Santorin ist ein beliebtes Urlaubsziel. Doch die Ruhe ist trügerisch. Foto: imago

Ein solches Panorama gibt es kein zweites Mal: Von den Terrassen in Fira, 200 Meter über dem Meer, geht der Blick hinunter auf die tiefblaue Bucht. In der Ferne sind die Bergsilhouetten der Nachbarinseln Folegandros und Sikinos zu erkennen. Wenn die Sonne sinkt, zaubert sie einen goldenen Schimmer auf die Wellen. Zehntausende Menschen verfolgen an den Sommerabenden dieses einzigartige Naturschauspiel. Paare kommen sogar aus dem fernen China, um sich vor der Kulisse von Santorin das Jawort zu geben.

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Aber dem malerischen Urlaubsparadies könnte ein unsanftes Erwachen bevorstehen. Der Störenfried heißt Kolumbos: Ein Unterwasservulkan, der sieben Kilometer nordöstlich von Santorin liegt. 1649 stieg der bis dahin unbekannte Kolumbos begleitet von zahlreichen Erdbeben aus dem Meer auf. Im Jahr darauf brach der Vulkan in einer explosionsartigen Eruption aus.

Leichte bis mittelschwere Beben seit 2006

Monatelang stieß er Rauch und Asche aus, die kilometerweit in den Himmel stiegen. Etwa 70 Menschen starben und Tausende Tiere verendeten in den giftigen Gasen. Der Ausbruch löste einen Tsunami aus, der selbst auf mehr als 100 Kilometern entfernten Ägäisinseln große Schäden anrichtete. Heute liegt der Kraterrand des Unterwasservulkans stellenweise nur 17 Meter unter dem Meeresspiegel.

Sein Krater reicht bis in eine Tiefe von 500 Metern. Über 300 Jahre lang schien der Vulkan zu schlafen. Aber es gibt Anzeichen, dass Kolumbos wieder erwacht. 2006 und 2007 sowie erneut 2011 und 2012 wurde Santorin von einer Serie leichter und mittelschwerer Erdbeben erschüttert.

Die Forschungsergebnisse sind beunruhigend

Im September 2011 schickten Wissenschaftler von Bord des Forschungsschiffes Nautilus einen ferngesteuerten Tauchroboter in den Krater des Vulkans. Seine Kameras sendeten faszinierende Bilder. Die Aufnahmen zeigen Gasblasen, die aus bizarren Gesteinsformationen am Meeresgrund aufsteigen. Kolumbos atmet wieder.

Im vergangenen Jahr startete ein Forschungsteam des Imperial College in London die bisher eingehendste Erforschung des Vulkans. Das Team nutzte neueste tomografische Methoden und Bohrungen, um den Meeresboden unter dem Krater zu untersuchen. Die im vergangenen Herbst im Fachmagazin „Geochemistry, Geophysics, Geosystems“ veröffentlichten Forschungsergebnisse sind beunruhigend.

Um 1500 vor Christus explodierte der Vulkankegel

Unter dem Krater sammelt sich aufsteigendes Magma. Geschätzt vier Millionen Kubikmeter zähflüssiges, geschmolzenes Gestein steigen pro Jahr aus der Tiefe auf. Irgendwann wird der Druck so groß werden, dass er sich wieder in einer in einer gewaltigen Eruption entlädt wie im Jahr 1650. Heute könnten die Folgen noch viel katastrophaler sein. Denn Santorin ist viel dichter besiedelt als beim letzten Ausbruch vor 373 Jahren.

Ihre einzigartige Landschaft verdankt die Insel ihrer Entstehungsgeschichte. Was heute eine an drei Seiten wie von einer Mondsichel umschlossene Bucht ist, war ursprünglich ein riesiger Vulkan, an dessen Hängen gegen 2000 vor Christus die ersten Siedlungen der kykladischen Kultur entstanden. Um das Jahr 1500 vor Christus, so haben die Geologen errechnet, explodierte der Vulkankegel und hinterließ einen fast 400 Meter tiefen Krater, der sich mit Meerwasser füllte. Übrig blieb nur der aus dem Meer ragende Kraterrand – das heutige Santorin. Der Vulkanausbruch von Santorin, so meinen viele Wissenschaftler, war die gewaltigste bisher bekannte Katastrophe dieser Art.

Unter dem Meeresboden bildet sich eine Magmablase

Geologen und Archäologen vertreten die Theorie, dass die durch den Ausbruch ausgelösten Tsunamis die Küstenregionen der 100 Kilometer südlich gelegenen Insel Kreta verwüsteten und so zum Untergang der minoischen Kultur führten.

Es gibt zwar keine Anzeichen dafür, dass sich die Katastrophe von vor 3500 in absehbarer Zukunft wiederholen wird. Aber es bahnt sich offenbar ein neuerlicher Ausbruch des Kolumbos an. Die jüngste Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich seit der Explosion von 1650 in einer Tiefe von zwei bis vier Kilometern unter dem Meeresboden erneut eine Magmablase bildet.

Der Ausbruch droht innerhalb der nächsten 150 Jahre

Das Reservoir hat die Form eines Pilzes. Der ständige Zustrom frischen Magmas aus der Tiefe ist so stark, dass sich das glutflüssige Gestein nicht abkühlt. Dadurch verstärkt sich der Druck in Richtung auf den Meeresboden. Wenn das rund 1000 Grad heiße Magma durch den Meeresboden bricht, droht erneut eine Explosion des Vulkans.

Wie viel Zeit bis zu einem Ausbruch des Kolumbos noch bleibt, lässt die Studie aber offen. Der gegenwärtige Zustand des Magmareservoirs zeige an, „dass eine explosive Eruption in Zukunft möglich ist, aber nicht unmittelbar bevorsteht“. Der Leiter des Forschungsteams, der Geophysiker Kajetan Chrapkiewicz vom Imperial College, nennt ein Zeitfenster von etwa 150 Jahren. Spätestens dann könnte die Magmablase wieder das Volumen wie vor der Eruption im Jahr 1650 erreicht haben. Die Wissenschaftler empfehlen, Kolumbos permanent zu beobachten. So wäre es möglich, eine bevorstehende Eruption rechtzeitig zu erkennen und die Menschen von der Insel zu evakuieren.