Gradierwerk Die Sole rieselt wieder

Nach eineinhalb Jahren kann im Bad Salzunger Gradierwerk wieder solehaltige Luft inhaliert werden. Die Leute standen Schlange, um am Sonntagnachmittag zum ersten Mal an der neuen Westwand zu gradieren.

 
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Wenn das Interesse am Gradieren so bestehen bleibt, wie am Sonntagnachmittag zu sehen war, dann braucht der Stadt Bad Salzungen um die Zukunft ihres Gradierwerks nicht bange sein. Die Leute standen Schlange, um erstmals wieder die gesunde Luft inhalieren zu können. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit ist die originalgetreu aufgebaute Westwand mit einem Baustellenkonzert in Betrieb gegangen.

Und auch wenn Karin Roth krankheitsbedingt nicht auftreten konnte, hallte das von ihr und ihrem Vater Herbert Roth komponierte Lied „Salzunger Luft“ durch den Wandelgang der Westwand. Gemeinsam mit Sandra Kniß, die kurzfristig einsprang und bekannte Schlager präsentierte, stimmte das Publikum ein: „Bad Salzunger Luft musst du atmen ... dann wirst du, dann bleibst du gesund.“ Diese wichtige Botschaft möchte Bad Salzungens Bürgermeister Klaus Bohl (Freie Wähler) in die Welt tragen. Denn über sechs Millionen COPD-Erkrankte allein in Deutschland und viele Menschen, die nach einer Corona-Infektion Atemprobleme haben, „sind eigentlich unsere Kunden“.

Die Planungen für die Modernisierung des Gradierwerks begannen 2016. Das Holz der teilweise über 200 Jahre alten Gradierwände war so zersetzt, „dass manche Balken nur noch hielten, weil sie es gewohnt waren“, hatte es ein Statiker damals formuliert. „Der Zustand war schon besorgniserregend“, sagte Klaus Bohl. Viele Gesprächsrunden, Klinkenputzen und Lobbyarbeit führten zum Erfolg: Die Finanzierung für das Jahrhundertvorhaben konnte dank einer hohen Förderung gesichert werden. Und auch die Denkmalschutzbehörde sprang über ihren Schatten und sagte Ja zu einem Neubau. Die beiden Gradierwände wurden komplett abgetragen und von Grund auf neu gebaut. Ein 3 D-Scan machte es möglich, das Bauwerk originalgetreu in insgesamt 130 Einzelplänen zu planen. Die Fundamente für die Wände nebst der Solewannen wurden komplett neu gebaut. Jede Woche rollten dann große Laster an, um die auf Maß geschnittenen riesigen Balken zu liefern. Die Westwand ist fertig, an der Ostwand und im Mittelbau wird noch gearbeitet. Die Wiederherstellung des Gradiergartens schließt sich an. Im nächsten Jahr, wenn die Stadt Bad Salzungen am 3. Juni das Jubiläum „100 Jahre Kurstadt“ feiert, soll das gesamte Gradierwerk-Ensemble offiziell übergeben werden.

Bürgermeister Klaus Bohl ist froh, dass alles so gut klappt. „Das geht nur, wenn man gute Partner an der Seite hat.“ Ein großer Partner ist das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. Ohne die 7,5 Millionen Euro über die Städtebauförderung „wäre es nicht gegangen“. Rund eine Million Euro kommt aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte Städtebau“. Der Eigenanteil der Stadt liegt bei fünf Millionen Euro. Dafür hat man einen Kredit mit günstigen Zinsen über eine Laufzeit von 30 Jahren aufgenommen. „Für ein Bauwerk, das über 100 Jahre halten soll, ist das gerechtfertigt.“ Die Baukosten hatte man 2018 auf rund 12,5 Millionen Euro geschätzt. Am Ende werden es wohl 13 Millionen Euro. Angesichts der derzeit durch die Decke gehenden Baupreise „können wir damit zufrieden sein“.

Als das Gesicht der Stadt bezeichnete Thüringens Infrastrukturstaatssekretärin Prof. Dr. Barbara Schönig das Bad Salzunger Gradierwerk. Das Geld, das ihr Haus zur Verfügung stelle, sei eine gute Investition in die Zukunft. Denn für Bad Salzungen sei das Gradierwerk essenziell, um den Kurbetrieb zu sichern. Sie wisse um die tragende Rolle, die der Gesundheitstourismus für die Stadt und die Region spiele.

Bevor das Lied „Salzunger Luft“ erklang und die Soleleitungen geöffnet wurden, plauderte Gisela Matzke aus dem Nähkästchen und teilte private Erinnerungen, die sie als Moderatorin des „Oberhofer Bauernmarktes“ an Herbert Roth und dessen Tochter Karin hat.

Zahlen und Fakten

Status „Bad“:
 1923 erhielt die Stadt den Zusatz „Bad“ und entwickelte sich zur zweitgrößten Kurstadt in der DDR und zum größten Kurort für die Behandlung der Atemwege.

Gradierwerk:
 Das Bad Salzunger Gradierwerk besteht aus zwei Gradierwänden, einem Mittelbau und einem Gradiergarten mit Trinkhalle. Die Ostwand stammt aus dem Jahr 1796/97, die Westwand aus dem Jahr 1901. Beide werden nach dem Abriss vor eineinhalb Jahren originalgetreu aufgebaut.

Technische Daten:
 Die Ostwand ist 82 Meter lang, 13 Meter hoch und 16 Meter breit. Die Westwand ist mit einer Länge von 87 Metern, einer Breite von 13 Metern und einer Höhe von 10 Metern etwas länger. Durchschnittlich 65 000 Gäste jährlich besuchten das Gradierwerk vor der Modernisierung.

Herausforderungen:
 Für den Neuaufbau wurden 150 Meter Berieselungsrinnen, 750 Kubikmeter Lärchenholz, 350 Kubikmeter Beton und 950 Quadratmeter Reisig benötigt.

Baukosten:
 Bei der Planung ging man 2018 von Baukosten in Höhe von 12,5 Millionen Euro aus. Nach derzeitigem Stand werden es wohl 13 Millionen Euro werden. Davon trägt die Stadt fünf Millionen Euro.

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