Goethe in Ilmenau Osterspaziergang zum Nachlesen

Kein Gedicht wird am Ostersonntag so oft zitiert wie Goethes „Osterspaziergang“. Aber wer hat alle Reime parat? Hier kann man das ganze Gedicht nachlesen. Der Osterhase hat den Dichter auf seiner Bank in Ilmenau am Sonntag auch schon überrascht.

 
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Es ist wahrscheinlich das einzige Gedicht aus der Schulzeit, dass niemand je ganz vergisst: Der Osterpaziergang von Johann Wolfgang von Goethe. Jedes Jahr zu Ostern kramen die Menschen ein paar Zeilen hervor und sagen sie – meist tatsächlich – während einer Wanderung auf.

Goethe ist zwar in Frankfurt am Main zur Welt gekommen. Auf ewig berühmt geworden ist er aber erst im heutigen Thüringen. Fast 30 Mal weilte Goethe auch in Ilmenau. Auf rund 180 Quadratmeter zeigt die Dauerausstellung des Goethe-Stadt-Museum in der Universitätsstadt eine besondere Seite seines Lebens, die nachhaltig sein Wirken prägte: die Tätigkeit als sachsen-weimarischer Staatsbeamter und Beauftragter für die Wiederbelebung des Ilmenauer Kupfer- und Silberbergbaus. Auch die Neuordnung des Ilmenauer Steuerwesens gehörte zu seinen Amtsaufgaben. Goethe nutzte die Räume in der ersten Etage des Ilmenauer Amtshauses (Sitz des heutigen Museums) als Dienstwohnung. Die Räume wurden bis 1918 als herzogliches Wohnquartier genutzt.

Vor dem Museum sitzt der alte Geheimrat in Bronze auf einer Bank und ist ein beliebtes Fotomotiv. Am Ostersonntag hat er nun besonderen Besuch bekommen. Der Osterhase ist auf seiner anstrengenden Verstecktour dem Geheimrat fast über die Füße gefallen. Unser Fotograf hat die eigentümliche Begegnung im Bild festgehalten.

Dem Osterhasen ging es aber wie fast allen Osterspaziergangs-Fans. Er hat nicht mehr alle Zeilen des Gedichts zusammenbekommen und strauchelte ein paar Mal. Für ihn und alle anderen haben wir hier das ganze Gedicht Goethes noch einmal:

Der Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,

Im Tale grünet Hoffnungsglück;

Der alte Winter, in seiner Schwäche,

Zog sich in raue Berge zurück.

Von dort her sendet er, fliehend, nur

Ohnmächtige Schauer körnigen Eises

In Streifen über die grünende Flur.

Aber die Sonne duldet kein Weißes,

Überall regt sich Bildung und Streben,

Alles will sie mit Farben beleben;

Doch an Blumen fehlt’s im Revier,

Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen

Nach der Stadt zurück zu sehen!

Aus dem hohlen finstern Tor

Dringt ein buntes Gewimmel hervor.

Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

Denn sie sind selber auferstanden:

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,

Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,

Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,

Aus der Straßen quetschender Enge,

Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht

Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur, sieh! wie behänd sich die Menge

Durch die Gärten und Felder zerschlägt,

Wie der Fluss in Breit und Länge

So manchen lustigen Nachen bewegt,

Und, bis zum Sinken überladen,

Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

Blinken uns farbige Kleider an.

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet Groß und Klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Goethe in Ilmenau

Bereits kurz nach seinem Eintritt in den Staatsdienst des Herzogtums Sachsen-Weimar, zu dem Ilmenau zu jener Zeit gehörte, erhielt Johann Wolfgang von Goethe 1776 von Herzog Karl August den Auftrag, die Ursachen für einen schweren Stadtbrand zu untersuchen und die verfallenen Bergwerksanlagen mit dem Ziel der Wiederbelebung zu besichtigen. Von da an weilte er bis zum Ende seines Lebens insgesamt fast 30-mal in Ilmenau.

Zu seinen Aufgaben zählte auch die Reform des Steuerwesens in der Stadt, wo es im Jahr 1768 zur „Ilmenauer Empörung“ wegen Korruption und Misswirtschaft gekommen war. Während er dabei spürbare Verbesserungen erzielen konnte, waren seine Versuche, den Bergbau wiederzubeleben, nur vorübergehend erfolgreich. Zwar konnte er erreichen, dass 1784 der Schacht „Neuer Johannes“ den Betrieb aufnahm. Nach einem Wassereinbruch 1796 mussten aber die Arbeiten wieder eingestellt werden, was Goethe so schmerzte, dass er die Stadt bis 1813 nicht mehr besuchte.

Neben seinen Aufgaben als Minister nutzte Goethe die Besuche in Ilmenau auch, um Abstand vom Leben am Weimarer Hof zu gewinnen und literarisch tätig zu sein. So beendete er dort 1779 die Arbeiten an seinem Werk Iphigenie auf Tauris. Bei einer seiner Wanderungen auf den Ilmenauer Hausberg Kickelhahn kritzelte er am 6. September 1780 an die Wand des dortigen Bretterhäuschens eines seiner bekanntesten Gedichte, Wanderers Nachtlied („Über allen Gipfeln ist Ruh“). 1783 schrieb er zum 26. Geburtstag Karl Augusts das Gedicht Ilmenau, mit dem er der Stadt in 191 Versen ein literarisches Denkmal setzte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besuchte Goethe auch oft das nahe gelegene Jagdhaus Gabelbach und führte dort unter anderem naturwissenschaftliche Studien durch.

Auch den letzten Geburtstag feierte der Dichter 1831 während seiner letzten Reise in Ilmenau.

Goethe-Stadt-Museum Ilmenau

Winteröffnungszeiten bis 30. April: Montag, Dienstag geschlossen

Mittwoch bis Sonntag 10:00-16:00 Uhr

Sommeröffnungszeiten 1. Mai bis 31. Oktober

Montag geschlossen

Dienstag bis Sonntag 10:00-17:00 Uhr

Feiertage 10:00-17:00 Uhr

Letzter Einlass jeweils 30 Minuten vor Schließung.

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