Gewerkschaft alarmiert Wachsende Gewalt hinter Gittern

Markus Brauer

Angriffe mit selbst gebastelten Stichwaffen oder Faustschläge: Der Dienst in den Gefängnissen ist gefährlicher geworden, meint die Gewerkschaft. Von der Politik fühlt sie sich im Stich gelassen.

 
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Ein Justizbeamter des besonderen Sicherheits- und Revisionsdienstes (BSRD) durchsucht in einem Revisionseinsatz einen Haftraum in der Jugendanstalt (JA) Raßnitz in Sachsen-Anhalt Foto: dpa/Jan Woitas

Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) klagt über immer mehr Angriffe auf die Beschäftigten in den deutschen Gefängnissen. Häftlinge trügen Konflikte zunehmend mit Gewalt aus, sage der Bundesvorsitzende René Müller am Mittwoch (13. März) am Rande einer Vorstandssitzung der Gewerkschaft in Erfurt.

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Auch seien die Übergriffe brutaler und härter geworden. „Kollegen werden verprügelt und mit selbst gefertigten Stichwaffen verletzt. Das sind schon Zustände, wie man sie aus amerikanischen Filmen kennt.“

Gewerkschaft will Bundeshaftanstalt für extremistische Straftäter

Bundesweite Zahlen liegen dem BSBD nicht vor. Gründe für die wachsende Gewalt gegenüber Justizvollzugsbediensteten sieht Müller in dem Personalnotstand und der veränderten Klientel in den deutschlandweit gut 170 Justizvollzugsanstalten.

In den Gefängnissen sitzen nach Müllers Worten etwa extremistische Strafgefangene ein, von denen eine höhere Gefahr ausgehe. Notwendig sei daher eine Bundeshaftanstalt für diese Staatsschutzfälle, forderte der Gewerkschaftschef. Eine solche Haftanstalt für Terroristen, Extremisten und Gefährder würde die Länder entlasten. Dem Bundesjustizministerium warf Müller diesbezüglich Ignoranz vor: „Es gibt keinerlei Gesprächsbereitschaft.“

Auch die wachsende Zahl psychisch auffälliger Gefangener bereitet Müller zufolge zunehmend Probleme. Weil es an ausreichenden Plätzen im Maßregelvollzug fehle, seien die Gefängnisse inzwischen zu „Psychiatrien light“ verkommen, kritisierte Müller. Die Vollzugsbeamten seien aber keine psychiatrischen Krankenpfleger. Ohnehin führe die dünne Personaldecke dazu, dass bei der Betreuung Abstriche gemacht werden müssten.

Hohe Fluktuation und wenig Bewerber

„Zu wenig Personal führt zu Sicherheitsrisiken“, warnte Müller. Und auch die Resozialisierung komme viel zu kurz. Laut dem BSBD arbeiten derzeit deutschlandweit rund 38 000 Mitarbeiter im Strafvollzug. 2000 Stellen seien bereits seit längerem unbesetzt. Um den Anforderungen im Strafvollzug gerecht zu werden, bräuchte es neben den unbesetzten Stellen zusätzlich noch 2000 weitere. Es gebe eine hohe Fluktuation und eine extrem schlechte Bewerberlage, so Müller.

Manche Bundesländer wie Brandenburg oder Hamburg schafften es nicht einmal, 20 Prozent der Ausbildungsplätze zu besetzen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liege die Quote bei rund 50 Prozent - und dies, obwohl bereits Standards abgesenkt worden seien und mehr als in der Vergangenheit ausgebildet werde. Es brauche Resilienz für den Job hinter Gittern, sagte Müller. „Der Strafvollzug ist härter und anspruchsvoller geworden.“

Info: Lebenslange Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren

Lebenslang
Diese Strafen gelten für folgende Straftaten:

• Raub oder räuberische Erpressung mit Todesfolge nach Paragraf 251 Strafgesetzbuch (StGB)

• Sexuelle Nötigung und /oder Vergewaltigung mit Todesfolge nach Paragraf 178 StGB

Kriegsverbrechen gegen Personen in Form der Geiselnahme mit Todesfolge nach dem Paragraf 8 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 1 Nr.2 VStGB (Völkerstrafgesetzbuch)

• Das Bundesverfassungsgericht entschied am 21. Juni 1977, dass die Möglichkeit für einen Strafgefangenen nach 30 oder 40 Jahren unter Umständen wegen guter Führung begnadigt zu werden, entschieden zu wenig sei. So sei die lebenslange Freiheitsstrafe mit dem Grundgesetz eben noch vereinbar, niemals jedoch als absolute Strafe im Sinne einer „Strafverbüßung bis zum Tode“.

Zweimal Lebenslänglich

• Die lebenslange Freiheitsstrafe gemäß Paragraf 38 Absatz 1 StGB kann nach dem Paragraf 54 Absatz 2 StGB nicht als eine Gesamtstrafe aus diversen einzelnen Freiheitsstrafen angewendet werden.

• Wenn ein gesetzlicher Milderungsgrund anzuführen ist, wird die lebenslange Freiheitsstrafe regelmäßig durch einen Freiheitsentzug nach Paragraf 49 Absatz 12 Nummer 1 StGB umgeändert.

• Selbst ein mehrfacher Mord wird so nach deutschen Strafrecht immer mit maximal 15 Jahren Freiheitsentzug bestraft. Auch aus mehreren Strafen wird so nach dem Paragraf 54 Absatz 1 StGB nur eine singuläre Gesamtstrafe.

• Urteile wie in anderen Ländern „Zweimal lebenslänglich wegen dreifachen Mordes“ sind in Deutschland mit dem 23. StrÄndG von 1986 (BGBI. S.93) nicht mehr möglich. Hier kommt der Urteilszusatz „besondere Schwere der Schuld“ zur Anwendung.

Keine lebenslange Freiheitsstrafe für Straftäter unter 18 Jahren

• Ist der Straftäter noch keine 18 Jahre alt, kommt das Jugendstrafrecht zur Geltung. In diesem Fall kann keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. Die Höchststrafe im Jugendstrafrecht beträgt 10 Jahre.

• Bei heranwachsenden Jugendlichen, die nach dem Erwachsenenstrafrecht abgeurteilt werden, ist eine Freiheitsstrafe von 10 bis 15 Jahren nach dem Paragraf 106 Absatz 1 JGG üblich. Auch eine lebenslange Freiheitsstrafe nach dem Erwachsenenstrafrecht ist möglich.

Lebenslängliche Freiheitsstrafe

• Besonders schwere Verbrechen wie Mord werden mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet. Die lebenslange Freiheitsstrafe wird in Deutschland in Paragraf 38 StGB als Ausnahme von der „normalen“ zeitigen Freiheitsstrafe festgeschrieben.

• Sie ist eine Haftstrafe, die auf unbestimmte Zeit angeordnet wird. Sie hat folglich keine zeitliche Begrenzung. Ein Verurteilter kann 15, 20, 50 Jahre und länger im Gefängnis sitzen.

• Eine lebenslange Haft kann in Deutschland nur dann verhängt werden, wenn es das Strafgesetz ausdrücklich vorsieht. Sie kann nicht aufgrund einer Summierung von diversen Vergehen verhängt werden.

Wie lange ist Lebenslänglich?

• Gemäß dem Paragraf 57 a StGB kann ein Gefangener im Strafvollzug nach 15 Jahren verbüßter Haft mit einer Bewährung auf fünf Jahre vorzeitig entlassen werden. Dabei müssen 15 Jahre verbüßt sein – inklusive der Zeit, die er in Untersuchungshaft verbüßt hat.

• Eine lebenslange Freiheitsstrafe besitzt zudem keinen festgesetzten Zeitraum. Die Bewährungszeit beträgt in der Regel fünf Jahre. Dessen ungeachtet beträgt eine lebenslängliche Haftstrafe in Deutschland zwischen 15 und 30 Jahren.

• Ein Gericht muss ein Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit bezüglich der Gefährlichkeit des Häftlings besteht. Das bedeutet: Sachverständige erstellen Gutachten und klären, der Häftling in Freiheit nicht erneut straffällig werden könnte.

• Hier muss das Gebot der Verhältnismäßigkeit gelten. Die bloße Vermutung, der Strafgefangene könnte wegen geringfügigen Vergehen – wie etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwarz fahren oder kleinere Ladendiebstähle begehen – keine Verlängerung der lebenslangen Haftstrafe rechtfertigen.

Besondere Schwere der Schuld

• Eine besondere Schwere der Schuld gilt dann, wenn gegenüber anderen, ähnlichen Taten ein wesentlich größeres Maß an Schuld vorliegt – etwa bei vielfachem Mord und besonderer Brutalität. Die dahinter stehenden Motive können sein: besondere Verwerflichkeit, die Täterpersönlichkeit, perverse sexuelle und/oder gewalttätige Neigungen. Liegt eine besondere Schwere der Schuld vor, wird die Haft nach 15 Jahren nicht beendet.

Sicherungsverwahrung

• Eine Sicherungsverwahrung, die über die lebenslange Haftstrafe hinaus angeordnet werden kann, ist keine Freiheitsstrafe im eigentlichen Sinne, sondern eine „Maßregel der Besserung und Sicherung“ (mit dpa-Ageturmaterial).