„Cool, oder? Was der menschliche Körper alles kann, ist.“ Jan Lützelberger schüttelt den Kopf, in seinen Augen strahlt Begeisterung: „einfach Wahnsinn!“ Eine künstliche Hüfte ist eine geniale Verbindung von Körper und Technik. Aber sie hält nicht ewig.
Mal liegt es an einer bakteriellen Infektion, mal ist‘s einfach Abnutzung: Irgendwann lockert sich das Implantat. Klassische medizinische Verfahren wie Röntgen oder CT sind nicht geeignet, um das frühzeitig festzustellen. Deshalb kamen Ärzte des Regiomed-Klinikum Coburg mit dem ISAT ins Gespräch. Alexander Franck, Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, unterstützt das UltraHip-Team schon lange mit seiner medizinischen Expertise. ISAT-Leiter Drese berichtet, dass bereits 2017 die Idee entstand, den Abstand zwischen Hüftprothese und Knochen mithilfe von Schallwellen zu ermitteln. „Ursprünglich gab es den Ansatz, mit sogenannten geführten Wellen zu arbeiten. Auf die jetzige Methodik sind wir über andere Projekte gestoßen“, erklärt Drese.
Auf den Oberschenkel wird ein Schallwandler aufgesetzt, ein Gerät, das etwa die Größe und Form eines Lippenstiftes hat. Es sendet und empfängt Schallwellen. Fleisch, Knochen, Spalt, Metall: Jede Schicht verändert die Schallwellen und genau diese Veränderung wird per Software ausgewertet, um punktgenaue Informationen über den Spalt zu erhalten – wie dick er ist und was sich darin befindet. „In dem Thema steckte eine große Chance.“ Drese nickt seinem Studenten dabei anerkennend zu. Jan Lützelberger hat die Chance genutzt.
Die Ergebnisse seiner Bachelorarbeit wurden vergangenes Jahr bereits in einem bedeutenden wissenschaftlichen Fachmagazin, dem Journal Sensors, veröffentlicht, er präsentierte sie auch schon auf einer Konferenz. Im März wird ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) den Georg-Simon-Ohm-Preis feierlich überreichen. Viel Ansehen für einen 24-jährigen Nachwuchs-Wissenschaftler. „Ich habe viele verschiedene Aspekte mitbekommen“, erzählt er. Medizinerinnen und Mediziner denken anders als Physiker oder Physikerinnen. „Und die Firmen haben wieder einen ganz anderen Fokus. Durch die Anwendungsnähe am ISAT fühle ich mich einfach fitter als wenn ich alles im Studium nur theoretisch gelernt hätte.“ Seit dem Bachelorabschluss studiert er Simulation und Test an der Hochschule Coburg und schreibt jetzt schon an seiner Masterarbeit zur neuen Ultraschall-Messtechnik. Drese: „Ziel ist, die Technologie so weiterzuführen, dass sie zu einer Firma transferiert werden kann. Wir suchen einen Industriepartner.“
Anderthalb Jahre Unterstützung
Für die Weiterentwicklung gibt es nun schon einmal 18 Monate lang Unterstützung durch die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) des Bundesforschungsministeriums. Das neue Konzept DATIpilot soll gute Ideen und Forschungsleistungen schneller zu den Unternehmen und zu den Menschen bringen. Von 3000 eingereichten Projekten wurden 600 dazu eingeladen, ihre Idee im Rahmen eines Pitch-Vortrags auf der Bühne zu präsentieren – bei 23 Veranstaltungen zwischen November 2023 und März 2024 in verschiedenen deutschen Städten. Wer eingeladen ist, gehört automatisch auch zur Jury, die entscheidet, welche Projekte eine Förderung erhalten. Mit dem besonders innovativen Gedanken, dem hohen gesellschaftlichen Nutzen, einer passenden Umsetzungsstrategie und einem mitreißenden Pitch konnte „UltraHip - Nicht-Invasives Ultraschall-Messverfahren zur Frühdiagnostik der Lockerung bei Hüftprothesen“ das Publikum überzeugen.