Wenn viele Familienmitglieder arbeitslos sind
In einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung lebten 9,8 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren beziehungsweise 6,2 Millionen Menschen. 2022 waren es ebenfalls 9,8 Prozent gewesen. Dies war etwa der Fall, wenn in einem Haushalt mit zwei Personen eine Person überhaupt nicht arbeitete und die andere insgesamt nur vier Monate lang Arbeit hatte.
Armutsforscher Butterwegge kann diesen kleinteiligen Zahlen wenig abgewinnen. Besonders aussagekräftig ist für ihn die Einkommensarmut. Dass die Zahl der Betroffenen nicht gestiegen ist, führt in die Irre, sagt er. "Durch die gestiegenen Preise sind mehr Menschen unter Druck geraten, auch wenn sie nach dieser Definition nicht armutsgefährdet sind."
"Den Menschen ging es faktisch schlechter"
Diesen Kritikpunkt macht auch die Volkswirtin Irene Becker deutlich, die sich mit empirischer Verteilungsforschung beschäftigt. Die Preise seien stärker gestiegen als die Armutsschwelle, die Aussagekraft der Zahlen sieht sie daher kritisch. "Wie stark sich die Menschen einschränken mussten, wird in dieser Statistik nicht deutlich. Den Menschen ging es faktisch schlechter."
Wenn Familien jeden Cent nicht nur zweimal, sondern dreimal umdrehen müssen, leiden darunter besonders die Kinder, so Butterwegge. Dass die Politik seit Jahrzehnten nichts Grundlegendes gegen Kinderarmut tue, hält er für einen "Langzeitskandal". Die Kindergrundsicherung wäre aus seiner Sicht der richtige Weg. Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung steht derzeit erneut auf der Kippe.
In höheren Einkommensschichten hätten die Menschen einen Puffer, sagt Verteilungsforscherin Becker, im unteren Einkommensbereich gebe es keine Rücklagen. "Die Menschen müssen sich verschulden oder sie sparen am Nötigsten." Ausgleichsmaßnahmen der Politik werden aus ihrer Sicht zu sehr mit der Gießkanne verteilt. Sinnvoller wäre es, findet Becker, wenn finanzielle Unterstützung gezielter dort ankommen, wo die Not am größten ist.