Eine zentrale Rolle spielen Gangs
Kritiker werfen der britischen Regierung vor, mit rigiden Sparmaßnahmen zum Erstarken der Jugendgewalt beigetragen zu haben. So wurden in den vergangenen Jahren Hunderte Jugendzentren geschlossen und Hunderte Millionen Pfund für Jugendbelange gestrichen. Außerdem waren in den 2010er Jahren fast 20 000 Polizeistellen abgebaut worden, erst seit kurzem wird wieder aufgestockt.
Dafür versucht die Regierung, mit einem harten Durchgreifen die Gewalt einzudämmen. Wer ein Messer trägt, muss mit schweren Strafen rechnen. Doch vielerorts werde der Polizei entweder misstraut oder sie sei aufgrund von Sparmaßnahmen gar nicht in der Lage, Präsenz zu zeigen, betonen Experten. „In solchen Situationen verwundert es nicht, dass junge Menschen es als gerechtfertigt oder notwendig ansehen, eine Waffe zu tragen“, betont der Kriminologe Iain Brennan von der Universität Hull.
Eine zentrale Rolle spielen Gangs. In vielen Stadtteilen herrschen Bandenkriege, Rache und Revanche sind an der Tagesordnung, Gewalt gilt als besonderes Zeichen von Mut und Männlichkeit. Vor kurzem wurden fünf Mitglieder einer Bande in der Stadt Milton Keynes, darunter zwei 17-Jährige, zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie hatten eine Geburtstagsparty überfallen und zwei mutmaßliche Mitglieder einer verfeindeten Gang erstochen. Die Opfer: 17 Jahre alt.
„Der allzu vertraute Hintergrund für diese sinnlosen und tragischen Morde war die Rivalität zwischen Banden junger Männer“, sagte der Richter. Verantwortlich sei eine „Kultur der Gewalt und der Messer, die in den sozialen Medien gefördert wird“. Der britische Jugendrat bezeichnete Messergewalt in einem Bericht vor rund einem Jahr als „Seuche unserer Generation“ - verknüpft mit scharfer Kritik. Die Regierung höre nicht auf junge Menschen und reagiere nicht auf deren Ängste, heißt es da. Die bereitgestellten Mittel reichten nicht aus. Notwendig seien mehr Jugendarbeiter, Hilfen für Eltern und Sicherheitsleute an Schulen.
Experten rechnen damit, dass die Kriminalität noch weiter zunimmt - wegen der Corona-Pandemie. Denn während des wochenlangen Lockdowns, derzeit ist in England bereits der dritte in Kraft, stachelten sich die Gangmitglieder im Internet an, fürchten Soziologen. Sobald sich die Feinde dann wieder persönlich gegenüberstehen, könnten sich Hass und Wut Bahn brechen.