Fußball, Europapokal Vom Steigerwald ins Bernabeu

Taktgeber des Real-Spiels: Der Greifswalder Toni Kroos (links). Foto: dpa//Shaun Brooks

Die wundersame Fußball-Reise des 1. FC Union Berlin erlebt an diesem Mittwoch mit dem Gastspiel bei Real Madrid ihren vorläufigen Höhepunkt.

 
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Zum ersten Mal seit Februar 2022 setzte es zwei Bundesliga-Niederlagen hintereinander. Und in der Tabelle ist das Team so tief platziert wie seit 45 Spieltagen nicht mehr: Die Stimmung könnte mau sein beim 1. FC Union Berlin – und das ausgerechnet vor dem größten Spiel der Klubgeschichte.

Doch Real Madrid überstrahlt alles. Der Glanz des Premierengegners in der Champions League darf für Trainer Urs Fischer allerdings keine Tünche über eine lange nicht gekannte Situation sein. „Diese Niederlage gilt es aufzuarbeiten und zu analysieren“, sagte der Coach nach dem samstäglichen 1:2 beim VfL Wolfsburg. Platz acht fühlt sich für Union nämlich unwirklich schlecht an.

Das Problem: Ausnahmsweise dürfte der gestrenge Schweizer recht wenig Gehör bei den Eisernen finden. Denn logischerweise dreht sich in Berlin-Köpenick gerade alles um den Abflug in die spanische Hauptstadt am Dienstagmorgen. „Das sind einmalige Erfahrungen, dass man auf so einer Bühne im Bernabeu-Stadion spielen kann. Das darf nicht jeder“, verdeutlichte Nationalspieler Robin Gosens vor dem ungleichen Duell mit den Königlichen am Mittwoch (18.45 Uhr).

Gosens muss es wissen. Als einer der wenigsten Union-Fußballer verfügt er über Erfahrung in der Champions League und spielte im Mai mit Inter Mailand sogar im Finale gegen Manchester City (0:1). Im März 2021 verlor er in der Königsklasse mit seinem damaligen Klub Atalanta Bergamo bei Real mit 1:3 und musste nach einer Stunde verletzt ausgewechselt werden. Gosens Tipp: Bange machen gilt nicht. „Ehrfurcht und Angst sind die Sachen, die wir nicht brauchen.“

Stattdessen setzt der 29-Jährige darauf, dass sich der Union-Mythos noch nicht in allen Facetten bis nach Madrid herumgesprochen hat. Am Mittwoch seien es „90 Minuten Fußball, in denen der kleine Gegner dem großen Gegner auch mal wehtun kann“.

Solche Beispiele hat Union in der Bundesliga in den vergangenen Jahren reichlich angesammelt. Dem Gegner wehtun – auch darauf begründet sich der märchenhaft anmutende Aufstieg der Eisernen. In dieser Saison hat Wolfsburg jedoch schon als zweiter Kontrahent nach RB Leipzig (0:3) die Schwachstellen aufgedeckt. Sie bedienten sich genau derjenigen Mittel, die aus dem langjährigen Zweitliga-Klub aus Ost-Berlin in gerade einmal fünf Jahren einen Champions-League-Starter gemacht haben: Zweikampfstärke, Zielstrebigkeit, sehr kompaktes Verteidigen. Dagegen fanden die Berliner kaum Mittel.

Doch das ist Jammern auf außergewöhnlich hohem Niveau. Denn die jüngere Historie des 1. FC Union ist bei aller gebotenen Zurückhaltung nichts anderes als eine sensationelle Erfolgsgeschichte. 2008 gehörten die Berliner noch zu den Gründungsmitgliedern der neuen 3. Liga. Ein Jahr später folgte bereits der Abschied – nach oben, in die 2. Bundesliga. In den zwölf Monaten dazwischen lagen unter anderem Siege gegen den FC Carl Zeiss Jena (2:1 und 1:0) sowie zwei 1:1-Unentschieden gegen den FC Rot-Weiß Erfurt.

Mit Jena gab es 2018 noch einmal ein Wiedersehen in der ersten Runde des DFB-Pokals, ansonsten trennten sich die Wege. Deshalb wird den Anhängern der Blau-Gelb-Weißen von der Saale und der Rot-Weißen von der Gera an diesem Mittwoch ab 18.45 Uhr noch einmal schmerzhaft deutlich, wie groß der Abstand zwischen den beiden besten Klubs aus dem Freistaat und den Eisernen geworden ist. Für Union führte der Weg vom Steigerwald ins Bernabeu. Für Jena und Erfurt geht es in den nächsten Monaten ins Eilenburger Ilburg-Stadion oder ins Werner-Seelenbinder-Stadion nach Luckenwalde.

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