Frühlingstour Minister sieht viel Sonne, Wasser und Gestein

Mirco Robus

Der Besuch von Bernhard Stengele (Grüne) bei der CEMEX Kies & Splitt GmbH in Immelborn bringt den Allgäuer in Südthüringen zwei Wochen vor seinem 61. Geburtstag zum Nachdenken. Es geht unter anderem um die Carbon Management Strategie (CMS).

 
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„Wir haben den Anschluss verpasst“, ist einer der ersten Sätze, den der Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz und zweiter stellvertretender Ministerpräsident an diesem sonnigen Vormittag Anfang April 2024 am Konferenztisch in der ersten Etage des Bürogebäudes der CEMEX Kies & Splitt GmbH sagt.

Gemeint sein könnte mit diesem Satz vieles. Bernhard Stengele spricht in dem Fall von dem Anschlusszug aus Bad Salzungen Richtung Immelborn, der offenbar ohne ihn abgefahren ist. Statt eine rund einstündige Autofahrt von Erfurt zum Kiessee wählte der Grünen-Politiker die etwa zweistündige Zug- und Radfahrt. Das E-Bike „mit Bambusrahmen aus Gambia“, wie Stengele erzählt, ist dann von Bad Salzungen nach Immelborn zum Einsatz gekommen. Denn aus dem Bus des Schienenersatzverkehrs zwischen Eisenach und Bad Salzungen ausgestiegen, fuhr die Süd-Thüringen-Bahn dem Minister dem Vernehmen nach vor der Nase weg.

Nur mit dem Rad, dem Bus und der Bahn

„Diese Woche kein Auto“, benennt der mitgereiste Referent des Umweltministeriums, Steffen Fuchs, die Maßgabe der sogenannten Frühlingstour von Bernhard Stengele, die mit Hilfe seiner Vorbereitung in Immelborn beginnt. Nicht aus idealistischen oder ideologischen Gründen, sondern, „damit er auch sagen kann, wie schwierig es ist“, meint Fuchs, der nach eigenem Bekunden durch einen Pressebericht auf die schwimmende Photovoltaik(PV)-Anlage in einem der Kiesseen der CEMEX Kies & Splitt GmbH aufmerksam wurde, weshalb der Minister „unbedingt nach Immelborn kommen wollte“, wie Fuchs berichtet. Demzufolge wohl auch, um den Vorwurf zu begegnen, „es passiert ja nichts“. Der Referent meint damit offenbar unter anderem das Themenfeld Erneuerbare Energien. „Es passiert doch etwas“, betont Stengele-Begleiter Steffen Fuchs mit Blick auf den Kiessee, wo die PV-Anlage verdoppelt werden soll, doch unter den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen ist das CEMEX zu teuer. Deshalb setze man auf die Unterstützung des Ministers.

Zu diesem Zeitpunkt des Besuches in Südthüringen ist der Minister bereits in ein silbern glänzendes Metallboot gestiegen, das sowohl mit Muskelkraft als auch mit einem E-Motor in Bewegung versetzt werden kann. Die 0,4 Hektar große Anlage auf dem 160 Hektar großen Kiessee soll sich der Gast aus Erfurt genauer ansehen. Andreas Kurzke, Projektkoordinator Mineralische Rohstoffe Süd im CEMEX-Konzern mit 43000 Mitarbeitern weltweit, 1300 in Deutschland und 13 in Immelborn, sitzt mit im Boot. Kurzke ist einer von zwei Mitarbeitern der Südthüringer CEMEX-Dependance, die vor der Bootstour mit Bernhard Stengele am Konferenztisch sitzen. Kollege Martin Otto, der das Werk leitet, ist auch dabei.

Als Wortführerin gibt sich zunächst die aus Berlin mit Zug und Mietwagen angereiste Alexandra Decker, Vorstand Corporate Affairs in der CEMEX Deutschland AG. Sie zeigt sich bestens vorbereitet und nutzt die ihr eingeräumten 45 Minuten für eine Powerpoint-Präsentation mit der Überschrift „Perspektiven eines Baustoffherstellers – Dekarbonisierung, Ressourcenschonung, erneuerbare Energien Strategie“. Zwei Trainees aus dem Regensburger CEMEX-Standort, der Regionalleiter Süd, Michael Niederquell, und Ralph Groß (CDU), Bürgermeister von Barchfeld-Immelborn, sind auch unter den Anwesenden. Alexandra Decker drängt auf die Umsetzung der sogenannten Carbon Management Strategie (CMS), für welche das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz den Startschuss gegeben habe. Darin heißt es: „Deutschland hat das Ziel, bis 2045 eines der ersten großen klimaneutralen Industrieländer zu sein.“ Mit Nachdruck plädiert die CEMEX-Kommunikatorin in der Runde mit Blick in Richtung Grünen-Politiker, dass die „Eckpunkte“ der CMS „durchgebracht“ werden. „Ich habe es verstanden“, sagt der Umwelt- und Energieminister. Bernhard Stengele hört außerdem unter anderem noch von vollelektronischen Fahrmischern und der Möglichkeit einer CO2-Pipeline, die 2035 umgesetzt werden müsse. Zu Letzterem sagt er: „Das ist wichtig zu hören.“ Und: „Im Grunde ist es etwas für die Bundesnetzagentur.“

Für jedermann ist, sozusagen, die schwimmende Photovoltaik-Anlage, die laut Firmenangaben im Jahr 2023 650 000 Kilowattstunden Strom erzeugt hat. 400 000 davon habe CEMEX-Immelborn selbst genutzt. Man brauche 1,4 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr für das 13-Mann-Werk, das mehr als eine halbe Million Tonnen Kies pro Jahr produziert, der mit Zement, Sand und Wasser zu Beton wird und vor allem in Berlin und Hamburg für Bauprojekte verwendet werde. Dafür würden pro Woche drei Züge mit je 46 Waggons und 3000 Tonnen Ladung das Immelborner Kieswerk mit direktem Bahnanschluss verlassen. Aktuell allerdings bis Oktober wegen der Bahnbaustelle zwischen Bad Salzungen und Eisenach nicht. Das bedeute 180 000 Tonnen Verlust, heißt es. Denn der Transport über die Schienenstrecke über Meiningen und Schweinfurt, um die Südthüringer Steine weiter in den Norden Deutschlands zu transportieren, koste sieben Euro mehr pro Tonne. Das zahle kein Kunde.

Die Elektrolok steht still

Also beschränke man sich in dieser Zeit auf Reparaturen und was sonst so anfalle in dem Kieswerk, in dem die Steine aus 50 Metern Tiefe von einem Schwimmbagger gefördert und über schwimmende und andere Bänder über drei Kilometer zur Aufbereitungsanlage transportiert werden, um sie unter anderem zu waschen und zu sortieren. Danach können sie Radlader momentan nur auf Lkw verladen, die vor Verlassen des Kieswerkes gewogen werden. Die neuangeschaffte 45-Tonnen-E-Lok, die 1100 Tonnen ziehen könne, steht aktuell still. Thüringens Umweltminister staunte trotzdem ob der Leistung des emissionsarmen Schienenfahrzeuges. Habe er doch für die Anschaffung seines E-Bikes als Dienstfahrzeug viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Ob es sich gelohnt hat? Die Weiterfahrt zur Bushaltestelle nach Fambach, um dann mit dem Bus nach Brotterode zu fahren, sollte mit dem Elektrodrahtesel an diesem Tag auf jeden Fall noch erfolgen. Ziel: Wandern im Thüringer Wald rund um den Inselsberg. Eine gute Gelegenheit, sich über die energieeffizienten Denkanstöße aus Immelborn Gedanken zu machen.

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