Die AOK Plus und der Verband der Ersatzkassen haben berechnet, was eine Schließung der Level-1-Station in Suhl für die Südthüringer bedeuten würde. Die größten Auswirkungen hätte sie für die Menschen in Schmalkalden. Für sie würde die zu erwartende Fahrzeit um 32 Minuten ansteigen. Von aktuell 42 Minuten nach Suhl auf dann 74 Minuten nach Erfurt, wo dann das nächste Level-1-Zentrum wäre. Angesichts der geringen Fallzahlen von um die 15 Geburten in Suhl pro Jahr hält Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender AOK Plus, das für vertretbar. „Was vor Ort aktuell als Katastrophe begriffen wird, das ist anderswo in Deutschland seit Jahrzehnten Realität“, sagt Hecken. In seiner Heimat, dem Westerwald, habe die Fahrzeit zum nächsten Level-1-Zentrum schon immer mehr als 60 Minuten betragen.
Wobei alle Experten, die an diesem Abend noch vor dem Ausschuss sprechen sollen, immer wieder betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, die Arbeit der Mitarbeiter in Suhl zu diskreditieren. „Dort wird engagiert und gut gearbeitet“, sagt Striebel. Tatsächlich weisen aktuelle Vergleiche für Suhl sogar bessere Werte aus als für Jena. In der Gesamtheit allerdings schneiden Häuser mit hohen Fallzahlen besser ab als solche mit niedrigen Fallzahlen. Aber, auch das betonen die Experten: es gehe nicht darum, die Geburtsmedizin in Suhl im ganzen zu schließen. „dafür ist Suhl für die regionale Versorgung viel zu wichtig“, sagt Mario Rüdiger, Leiter des Fachbereiches Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Uniklinikum Dresden. Auch er ist als Experte geladen. Unter anderem auch, um von seinen Erfahrungen in Sachsen zu berichten. Dort habe dieser Prozess der Zentralisierungen von extremen Frühgeburten schon stattgefunden, berichtet er. Entstanden sei ein leistungsfähiges Netzwerk mit einem Level-1-Zentrum in Dresden und einem Netz aus Level-2- und Level-3-Zentren im Umkreis. Inzwischen funktioniere auch die Vernetzung unter den Kliniken sehr gut, sei es selbstverständlich, dass Kliniken bestimmte Patientinnen nach Dresden verweisen. Sein Haus käme so auf etwa 150 Fälle im Jahr von Geburten mit einem Gewicht von 1250 Gramm. Im internationalen Vergleich sei das immer noch wenig. Kämen ausländische Kollegen zu Besuch, dann würden sie ihn fragen, wie sie mit einem so kleinen Zentrum zurecht kommen, so Rüdiger.
In dem Netzwerk sei klar, dass Dresden die Erstversorgung der kleinsten Frühchen übernehme, diese aber an die wohnortnäheren Level-2-Häuser abgebe, sobald die kleinen Patienten und ihre Mütter stabil genug dafür seien. Genau eine solche Rolle sei auch für Suhl denkbar: Die Versorgung von Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht über 1250 Gramm und die Nachsorge bei kleineren Frühchen, wenn sie den entsprechenden Zustand erreicht hätten.
Entscheiden muss am Ende die Politik. Im Einvernehmen mit den Krankenkassen. So sieht es das Sozialgesetzbuch vor. Kliniken können einen Antrag auf Ausnahme von der Mindestmenge stellen und müssen diesen begründen. Kommen Gesundheitsministerium und Kassen dann ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sie die medizinische Versorgung im Bereich der kleinsten Frühgeborenen in einer Region als gefährdet ansehen, wenn ein Level-1-Zentrum geschlossen wird, dann können sie eine Ausnahme für ein Jahr erteilen. Erteilen sie diese Ausnahme nicht, dann kann der Klinikbetreiber gegen diese Entscheidung klagen. Am 6. August ist der Stichtag, bis zu dem die Level-1-Zentren in Thüringen ihre Prognosen abgeben müssen. Dann geht die Diskussion weiter.