Wie schnell wird die Hilfe in der Ukraine ankommen?
Erwartet wird, dass die erste Munition schon in den nächsten Tagen geliefert werden kann, nachdem Biden das Gesetz unterzeichnet. Die Ukraine hat ihre Logistik nach Einschätzung von Militärexperten verbessert, um die Waffen und Munition an die Frontabschnitte zu bringen. US-Beamte hatten zuletzt erklärt, dass Raketen und Artilleriegeschosse aus amerikanischen Lagern etwa in Europa übergeben werden könnten. Trotzdem könnte es Wochen dauern, bis die Hilfe tatsächlich in der Ukraine spürbar wird.
Die Hilfe kommt trotzdem viel später als von Kiew erhofft - was bedeutet das für den Krieg?
Die Militärhilfe soll vor allem den russischen Vormarsch stoppen. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat immer wieder erklärt, dass die westliche Militärhilfe überlebenswichtig sei für das um seine Unabhängigkeit kämpfende Land. Die neue Hilfe soll nicht nur die Lage stabilisieren im Land, sondern schürt die Hoffnung des Landes auf eine neue Offensive zur Befreiung ihrer von Russland besetzten Gebiete - und auf einen Sieg. Russland dürfte aber die aktuellen materiellen und personellen Einschränkungen des ukrainischen Militärs ausnutzen, bis die US-Hilfe tatsächlich eintreffe, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington.
Wie ist die Lage an der Front?
Selenskyj spricht von einer schwierigen Lage, sie sei aber nicht so schlimm, dass sich das Land mit erhobenen Händen ergebe. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR, Kyrylo Budanow, erwartet vor allem Mitte Mai, Anfang Juni Probleme an der Front, weil die Russen einen komplexen Ansatz wählten. Die Situation sei aber "nicht katastrophal. Das Armageddon kommt nicht, wie vielleicht jetzt viele sagen", sagte er. Russland verkündet seit Monaten immer wieder Geländegewinne, vor allem im Osten der Ukraine. Allerdings betonten die ISW-Experten in Washington, dass die Russen lediglich operative Erfolge verzeichneten - und keinen echten Durchbruch an der Frontlinie, der einem strategischen Erfolg gleichkäme.
Um die Waffen zu bedienen, braucht es Soldaten - wie löst die Ukraine das personelle Problem?
Die Ukraine hat derzeit mehr als eine Million Frauen und Männer unter Waffen. Davon sind über 800.000 direkt in der Armee, der Rest in Nationalgarde und Grenztruppen. Entlang der knapp 1000 Kilometer langen Frontlinie sollen dabei gut 300.000 Soldaten im direkten Fronteinsatz sein. Für den Ersatz von Verlusten an Toten und Verwundeten gehen Schätzungen davon aus, dass Kiew monatlich gut 20.000 neue Soldaten einziehen kann. Das kürzlich auf 25 Jahre herabgesetzte Mobilisierungsalter und über ein neues Gesetz verschärfte Registrierungspflichten für wehrpflichtige Männer sollen die Situation verbessern. Der Bedarf in diesem Jahr wird auf mehr als 300.000 Soldaten geschätzt.
Zugleich ist die Bereitschaft, in die Armee einzutreten, äußerst niedrig. Einer Umfrage zufolge können sich nur gut 20 Prozent der infrage kommenden 25- bis 59-Jährigen vorstellen, in der Armee zu kämpfen. Täglich kursieren neue Videos in sozialen Netzwerken, die regelrechte Jagden auf Kriegsdienstpflichtige zeigen. Mehr als 700.000 wehrpflichtige Ukrainer sind zudem allein in der EU als Flüchtlinge registriert. Sie dürften kaum vor Kriegsende in das Land zurückkehren.
Wie reagiert Russland auf die neuen Hilfen der USA und des Westens insgesamt?
Der Kreml betont, dass die US-Hilfe an der Lage im Krieg nichts ändern werde. Russland wirft den USA seit langem vor, Kriegspartei zu sein, einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu führen. Ziel Washingtons sei es, die Ukraine zu instrumentalisieren, um Russland zu zerstören. Kremlsprecher Peskow betont beinahe täglich, dass durch die Waffenlieferungen am Ende der Krieg in die Länge gezogen werde und immer mehr Ukrainer sterben - und das angegriffene Land dennoch Gebiete verliere. Russlands Staatsfernsehen zeigt in langen Reportagen aus Rüstungsbetrieben, wie Munition produziert wird und die Kriegswirtschaft auf Hochtouren läuft. Präsentiert werden etwa neuartige Roboter für das Kampfgebiet oder Panzer mit neuen Abfangvorrichtungen, um sie vor Drohnenangriffen zu schützen.
Was tun die EU-Staaten und die Nato, um die Ukraine zu unterstützen und die US-Hilfe zu flankieren?
In Europa gibt es viele unterschiedliche Projekte, um der Ukraine dringende benötigte Militärhilfen zur Verfügung zu stellen - einige der wichtigsten kamen zuletzt aber nur schleppend voran. So scheiterte die EU mit dem Plan, der Ukraine innerhalb eines Jahres eine Million Artilleriegeschosse zu liefern. Und auch eine Initiative der Bundesregierung zur Bereitstellung zusätzlicher Luftverteidigungssysteme brachte bis zu diesem Montag keine greifbaren Erfolge. Lediglich Deutschland selbst hat bisher eine feste Zusage für ein zusätzliches Flugabwehrraketensystem Patriot gegeben. Eine tschechische Initiative zur Munitionsbeschaffung für die Ukraine läuft etwas besser. Sie sammelte schon genügend Geld, um in Nicht-EU-Staaten 500.000 Schuss Artilleriemunition für die Ukraine kaufen zu können. Für 300.000 weitere wurden zuletzt aber weiter Geldgeber gesucht.
Das Militärhilfen-Engagement innerhalb der EU ist sehr unterschiedlich. Während nord- und osteuropäische Länder sowie auch Deutschland und die Niederlande vergleichsweise viel Unterstützung leisten, sind andere wirtschaftsstarke Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien sehr zurückhaltend. Auch deswegen hat zuletzt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vorgeschlagen, der Ukraine für die kommenden fünf Jahre militärische Unterstützung im Wert von 100 Milliarden Euro zuzusagen. Daran müsste sich dann jeder Nato-Staat mit einem festgelegten Anteil beteiligen.
Wie lange wird der Krieg noch dauern - und gibt es auch Chancen für Friedensverhandlungen?
Klar ist im Moment nur, dass ein Ende des Krieges nicht in Sicht ist. Er kann noch Jahre dauern. In Russland beteuern Kremlchef Wladimir Putin und der russische Außenminister Sergej Lawrow zwar immer wieder, dass Moskau zu Verhandlungen bereit sei. Sie verlangen aber, dass die Ukraine dafür neben dem Verzicht auf einen Nato-Beitritt auch Gebiete abtreten müsste. Das lehnt der ukrainische Präsident Selenskyj ebenso ab wie ein Einfrieren des Konflikts. Selenskyj hat einen eigenen Friedensplan vorgelegt, der als einen Kernpunkt festlegt, dass die russischen Truppen aus allen besetzten Gebieten abziehen. Russland lehnt das als "völlig realitätsfern" ab.