Fluthilfe Das Rote Kreuz auf der Brust und im Herzen

Annett Recknagel
Die 20-jährige Nicole Münch war gleich zweimal im Katastrophengebiet an der Ahr helfend unterwegs – einmal mit dem 19-jährigen Eddie-Lee Fuchs und einige Tage später mit Jakob Minner (24 Jahre). Foto: Annett Recknagel

Eddie-Lee Fuchs, Jakob Minner und Nicole Münch waren im Flutgebiet in Rheinland-Pfalz, um im Auftrag des Katastrophenschutzes Thüringen zu helfen.

 
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„Es war schlimm. Ich wusste, dass es die Flut gegeben hat, aber so richtig hatte ich mich damit nicht beschäftigt. Klar kannte ich einige Bilder aus dem Fernsehen“, erzählt Eddie-Lee Fuchs. Wie sehr es die Menschen an der Ahr traf, habe er erst realisiert, als er mittendrin gewesen sei. Ende Juni hatte sich der Jugendgruppenleiter im Jugendrotkreuz Trusetal entschlossen, für vier Tage ins Krisengebiet nach Rheinland-Pfalz zu fahren und dort zu helfen.

Gemeinsam mit Nicole Münch, die auch zum Jugendrotkreuz Trusetal gehört und beim DRK-Kreisverband Schmalkalden stellvertretende Bereitschaftsleiterin ist, fuhr er mit weiteren Kräften aus der Region im Mannschaftstransportwagen im Auftrag des Katastrophenschutzes des Landes Thüringen zum Nürburgring. Hier präsentierte sich den beiden jungen Leuten – Eddie-Lee ist 19, Nicole 20 Jahre alt – ein Bild der Verwüstung und des Schreckens. „Es war so, wie man sich ein Kriegsgebiet vorstellt. Alles zerstört, überall Trümmer und Müll, viel Schlamm und bei der Trockenheit hat es mächtig gestaubt“, berichtet Nicole Münch.

Aufgabe von Eddie-Lee und Nicole sei es zunächst gewesen, bei der Versorgung Bedürftiger und Patienten zu helfen. So transportierten sie Patienten, erneuerten bei verletzten Menschen Verbände, spülten Wunden und desinfizierten Verletzungen. „Um einer Seuchengefahr und Entzündungen vorzubeugen“, sagt Nicole Münch. Weiter sicherten die beiden die betroffenen Gebiete mit ab und fuhren Streife. „Es war schon heftig, aber wir sollten uns ja auf alles gefasst machen“, berichtet Eddie-Lee.

Dem DRK beigetreten ist er schon 2010 – als Neunjähriger. Ebenso wie Nicole Münch ist er ausgebildeter Sanitäter. Anderen zu helfen, ist beiden ein Herzensanliegen.

Für Nicole, die nach dem Einsatz mit Eddie-Lee mit Jakob Minner für weitere vier Tage in die Region nach Dernau, Altenah und Sinzig fuhr, waren die Eindrücke prägend. „In einer derartigen Größenordnung hatte das von uns noch keiner gesehen. Das Elbehochwasser war ein Klacks dagegen, habe ich gehört“, berichtet sie. Innerhalb von 30 Minuten sei das „Flüsschen“ Ahr bis zu neun Metern angestiegen.

„Die Leute haben keinen Strom, kein Wasser, keine Kanalisation und sitzen in Notunterkünften“, erzählt Jakob Minner. Der 24-Jährige hat sich in Ringen mit einem ehemaligen Bundeswehr-Soldaten unterhalten, der meinte: „Das ist wie in Afghanistan – es fehlen nur noch die Schüsse im Hintergrund.“ Für Jakob war der Einsatz eine Mischung aus Helfersyndrom und Adrenalin. Man müsse es aushalten, wenn Wasserleichen geborgen würden oder in Häusern alles darauf hinweise, dass da einst Kinder gelebt hätten, die von der Flut verschluckt worden seien. Jakob ist seit 2006 beim Jugendrotkreuz in Trusetal. Er ist ebenso wie Eddie-Lee Jugendgruppenleiter und technisch sehr interessiert. In Ringen lösten Nicole und er Dominik Döllstedt ab, der beim Rettungsdienst in Schmalkalden arbeitet. Die beiden halfen im Versorgungsstützpunkt, fuhren Essen aus – 500 Portionen täglich. „Bei den Straßen, die keine mehr sind, war das ein Erlebnis“, sind sich die zwei einig. „Natürlich war das schwierig, weil man nicht ortskundig ist, aber so schnell wie möglich helfen will“, formuliert Jakob. In Sinzig sicherten die jungen Leute Bereiche ab und liefen Streife. In Dernau schauten sie sich die Ahr genauer an. Sie konnten kaum glauben, dass dieses kleine Flüsschen derartige Wassermassen mit sich geführt habe und all die Verwüstungen angerichtet hat.

„Brücken waren zerbrochen, Schienen ausgehoben und in den Häusern hatte das Wasser bis ins erste Stockwerk gestanden – unglaublich“, meint Nicole und erzählt von Orten wie Bad-Neuenahr, Ahrweiler und Sinzig, die alle einst ein leichtes italienisches Flair besaßen, das nun weg ist. Außerdem rieche es in den Gebieten sehr eigen. „Modrig, süßlich – nach Verwesung und Tod“, beschreibt Jakob. Einige Bereiche seien noch gar nicht erfasst, weiß er.

Jeder der drei würde sofort wieder in die von der Flut betroffenen Gebiete fahren. „Dafür sind wir im Katastrophenschutz“, bringt es Nicole auf den Punkt. Arbeitstechnisch aber sei das schwierig. „Ich denke mal, wir waren mit die Jüngsten“, meint Nicole und die zwei jungen Männer geben ihr recht. „Auf jeden Fall haben wir ein gutes Werk getan, das macht stolz und stärkt auch“, sagt Nicole. Für das Trio war es der erste Katastropheneinsatz. „Ich bin mega stolz auf sie“, erklärt der Vorsitzende des DRK-Ortsverbandes Trusetal, Sebastian Schneider. Alle drei hätten das Rote Kreuz nicht nur auf der Brust, sondern auch im Herzen. Seit über acht Jahren bereitet Schneider die jungen Leute im Jugendrotkreuz auf derartige Einsätze vor. „Auch, wenn man sich einen Einsatz natürlich keineswegs wünscht“, sagt er. Im Einsatz überwiege dann das Gefühl, geholfen zu haben. Der Schrecken sei zweitrangig.

„Freies Wort hilft“ nimmt weiter Spenden für die Hochwasseropfer entgegen. Wir unterstützen besonders bedürftige Familien, Kinder und Einzelpersonen im Ahrtal.

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Verwendungszweck Flut 2021

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