"Tatort: Die ewige Welle" - gestern Abend, 20.15 Uhr, im Ersten gesehen

Mit Mitte 20 kann man davon träumen, das gewöhnliche Leben hinter sich zu lassen und auszusteigen. An irgendeinem Strand im Süden in den Tag hineinzuleben, unbeschwert von den Lasten einer erfolgsorientierten Existenz, interessiert allein an der nächsten Welle, weil die vielleicht den perfekten Ritt, die absolute Leichtigkeit verspricht. Was aber, wenn man sich mit Mitte 50 immer noch an solche Träume klammert, wenn Lebensentwürfe zu Lebenslügen werden? Der ewige Surfer Mikesch (großartig: Andreas Lust) macht sich selbst und anderen etwas vor, wenn er an den Idealen von einst festhält, obwohl ihm doch sein vermeintlich freies Leben schon lange durch die Finger rinnt.

Zum Fluch geworden

Einmal mehr schafft es der Münchener Tatort, einen kleinen Ausschnitt gesellschaftlicher Realität sehr genau und einfühlsam zu schildern. Die Drehbuchautoren Alex Buresch und Matthias Pacht zeichnen ein Milieu, in dem die Aussteigerromantik über die Jahre zum Fluch geworden ist. Die trotzige Verzweiflung, mit der die Figuren ihr eigenes Scheitern zu kaschieren versuchen, macht diesen Fall so berührend. Gleichzeitig konfrontieren die Autoren Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) mit einem Kapitel seiner Vergangenheit. Und es klingen leise Zweifel an, ob er selbst mit dem Rückzug in eine bürgerliche Existenz alles richtig gemacht hat und was von den großen Zielen und Hoffnungen von einst geblieben ist. Wovor ist er davongelaufen?

Mut zum ehrlich sein

In dieser Geschichte geht es um Lebensbilanzen und den Mut, zu sich selbst ehrlich zu sein. Regisseur Andreas Kleinert hat dafür einige wunderbar poetische Bilder gefunden - in den Rückblenden in die Vergangenheit, vor allem aber in der bewegenden letzten Straßenbahnfahrt durch das nächtliche München, die an einer einsamen Endstation endet. Selten gelingt es einem Tatort, eine vergleichbare Balance zwischen Melancholie und Aufrichtigkeit zu schaffen. Und der Kriminalfall? Ist in dieser Folge nur Nebensache.

Dass der fette Drogendeal für den schrägen Vogel Mikesch einige Nummern zu groß ist, daran besteht von Beginn dieses Krimis nicht der leiseste Zweifel. So wird der immerwährende Surfer dem Zuschauer als eine tragische Figur in Erinnerung bleiben, die bis zum Ende ihres Lebens der Freiheit auf der Welle hinterherjagte, ohne sie jemals zu erreichen.