Goethe und Thüringen - das ist eine lange Liebe bis in den Tod. In der Fürstengruft auf dem Historischen Friedhof seiner Wahlheimat Weimar liegt der Dichter seit 1832 begraben. Die Stadt an der Ilm ist nur einer von rund drei Dutzend authentischen Orten, an denen man dem Klassiker nachspüren kann. Am besten mit einer kommentierten Gesamtausgabe zur Hand. So lassen sich die schwärmenden, geistreichen, gelegentlich aber auch recht banalen Bemerkungen aus Goethes Briefen und Aufzeichnungen mit der Wirklichkeit abgleichen.

Auf solch eine literarische Spurensuche quer durch den Freistaat hat sich der Erfurter Autor Heinz Stade für seinen neuen Reiseführer im Sutton Verlag begeben. Darin erkundet er acht Thüringer Städte und ihr Umland, in die Goethe seinerzeit berufliche Verpflichtungen führten, ebenso private Vergnügungen. Beispielsweise Rudolstadt. Dort, im Hause Charlotte Lengefelds, trifft Goethe im September 1788 erstmals bei einer Tischgesellschaft auf Friedrich Schiller. Oder Eisenach, wo der Schriftsteller im September 1777 für mehrere Wochen auf der Wartburg Quartier nimmt. Eine Empfehlung Herzog Karl Augusts, der bemerkt hatte, dass sich sein Gast weder mit der Sommerresidenz Wilhelmsthal noch mit dem Eisenacher Stadtschloss anfreunden konnte.

Es sind diese Details und Anekdoten gerade auch zu den weniger bekannten Goethe-Orten südlich des Rennsteigs, die das Buch zu einer aufschlussreichen Lektüre für Literaturliebhaber werden lassen. Für solche, die jene mit Wald und Kulturgeschichte so reich gesegnete Mitte erst noch erkunden wollen. Zudem für Kenner, die eben doch noch nicht alles kennen. Sie sollten es in Ruhe lesen, vor einer Reise. Zu dicht ist die Biografie des Geheimen Rates mit seinen belegten Zitaten und den jeweiligen touristischen Informationen verwebt.

220 Ilmenauer Tage

Weil das reich bebilderte 144-seitige Werk Goethes Begegnungen mit Thüringen nicht chronologisch, sondern geografisch sortiert, kommt es immer wieder auch innerhalb der Städte-Kapitel zu Zeitsprüngen. Eben noch ist der 6. August 1776, der Dichter weilt mit Charlotte von Stein in einer Höhle im Großen Hermannstein. Und schon wechselt die Handlung in den August 1831, als Goethe fast 82-jährig letztmals den Kickelhahn besteigt. Was dazwischen lag - 220 Ilmenauer Tage im Dienste des Bergbaus - war bereits auf den Seiten zuvor Thema.

Wer sich jedoch einmal eingelesen und in den Aufbau eingefunden hat, der verfolgt mit Interesse, wie etwa der noch junge Minister im Schloss Friedenstein in Gotha Eckhof auf der Bühne erlebt. Oder er am 2. Oktober 1808 die "bedeutendste Begegnung meines Lebens" hatte, eine Audienz mit Napoleon in der heutigen Thüringer Staatskanzlei in Erfurt. Das feinmaschige Netz aus Freundschaften und Bekanntschaften, das die Geistesgrößen des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts über Thüringen legten, es wird anschaulich für den Leser. Genau wie die neugierige Begeisterung Goethes für jenes Land, dessen Städte und Landstriche er immer wieder als herrlich, ja sogar überherrlich lobte.

Letztlich war es wohl beides, die intellektuelle Anregung und der Reiz einer vielgestaltigen Kultur- und Naturlandschaft, die den Schriftsteller, den Naturforscher und Staatsmann in 57 Jahren davon abhielt, allzu oft in die Ferne zu schweifen.

Heinz Stade: Reiseführer "Herrlich, herrlich, überherrlich. Mit Goethe durch Thüringen" erschienen 2013 im Sutton Verlag für 14,95 Euro.