Lassen wir am Anfang gleich mal Bukowski selbst zu Wort kommen: "Nichts gegen Gedichte; nur gibt es zu viele unmaßgebliche Scheißer, die vorgeben, welche zu schreiben." Nun war auch Bukowski selbst so ein Scheißer, der es einfach nicht lassen konnte, das Schreiben. Nicht einmal nach den längsten Tagen in den hässlichsten, dreckigsten Jobs. Er setzte sich abends doch wieder an die Schreibmaschine, die Flasche zur Hand. Und dann flackerten sie auf, die Gedichte, sprangen aus ihm heraus auf Papier. Jeder Buchstabe ein hektischer, nie ganz nüchterner Tastenschlag.

Mit diesem nervösen Klacken ging es denn auch los am Donnerstag im Saal Simson im CCS beim bereits dritten Provinzschrei-Abend der Woche. Charles Bukowski (1920-1994) nachts an seiner Schreibmaschine, der Gossenpoet, der lange Zeit nicht leben konnte von seinen bösen Wörtern, dafür aber viel vom Leben aufsaugte, während er sich das Schreiben verdiente. Er sollte vom Konzertpublikum stets mitbedacht werden, während die Bühne den fünf Musikern vom "Club der toten Dichter" gehörte.

Zutrauen der Zuhörer

Der Club um das kreative Zentrum Reinhardt Repke hat es auf tote Dichter abgesehen. Eigentlich auf solche aus dem Klassikerkanon. Heinrich Heine, Wilhelm Busch, Rainer Maria Rilke, Friedrich Schiller. Ihre Werke wurden alle schon vertont, die von Rilke und von Schiller gab es bereits bei früheren Festivaljahrgängen in Suhl zu hören. Das Zutrauen der Zuhörer war groß, dass Repke, Schlagzeuger Tim Lorenz, Keyboarder Andreas Sperling und Bassist Markus auch zu Bukowski wieder etwas eingefallen ist. Und dass es nicht gar zu deftig zur Sache geht, auch wenn Bukowski eben Bukowski ist.

Ist er auch, aber Reinhardt Repke hat beim Vertonen der Gedichte im ruhigsten Randberlin doch einen anderen gefunden als den berüchtigten Straßendichter, wie er erzählt. Einer, der böse - meint offene, deutliche - Wörter nur dann schreibt, wenn sie nicht fortbleiben dürfen. Und während er so zu Bukowski fand, fand Repke auch gleich noch den Richtigen für Bukowski. Den Theater- und Fernsehschauspieler Peter Lohmeyer, der diesmal als erzählender Sänger oder singender Erzähler das Bandprojekt verstärkte.

Heraus kam ein humorvoll-kluger und wunderbar unterhaltsamer Konzertabend, bei dem Gedichte in Lieder und Lieder in Spielszenen übergingen, dass es eine Freude war. In dem es einiges zu lernen gab über einen toten Dichter, der aus lebhaftester Erfahrung wusste, dass es manchmal schlimmer als schlimm kommt. Etwa wenn die wütende Ex-Freundin alle Gedichtblätter vernichtet, ohne dass es nur eine Kopie davon gibt. Am Ende des Abends Schlangestehen am CD-Stand, damit die Schreibmaschine auch daheim klackt und Gedichte aus ihr herausfallen.

Provinzschrei-Hauptwochenende

Mit der literarischen Revue "Drei Frauen aus Deutschland" begann gestern Abend im Autohaus Ehrhardt in Suhl das Hauptwochenende des diesjährigen Provinzschreis. Heute liest dort Dominique Horwitz aus seinem ersten Roman "Tod in Weimar" (ab 16.30 Uhr). Es folgt die Lesung von Shida Bazyar: "Nachts ist es leise in Teheran" (ab 18.30 Uhr). Am Abend treten "Tatort"-Kommissarin Adele Neuhauser und das Kammer-Punk-Jazz-Ensemble Ed Nulz mit dem humorvoll-skurril vertonten Reisebericht "Die letzten ihrer Art" auf. Seinen Ausklang findet das Festivalwochenende morgen Nachmittag ab
17 Uhr mit einen Konzert mit dem Leipziger Synagogalchor in der Suhler Kirche St. Ulrich.