Feuilleton "Kunst braucht Optimismus" - Bayreuth ohne Festspiele

Britta Schultejans
Bayreuther Festspiele 2020 virtuell. Karikatur: Rabe Quelle: Unbekannt

Kein roter Teppich, keine Fanfaren: Eigentlich hätten in Bayreuth heute - wie an jedem 25. Juli - die Richard-Wagner-Festspiele beginnen sollen. Doch 2020 ist alles anders - und auch fürs kommende Jahr gibt es Fragezeichen.

 
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Dieser 25. Juli ist ein denkwürdiger in Bayreuth: Kein roter Teppich, keine Fanfaren, keine schillernden Kleider, keine Kanzlerin. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte fallen die Wagner-Festspiele aus, der Corona-Pandemie zum Opfer. "Da fließt schon die eine oder andere Träne die Backe runter", sagt Geschäftsführer Holger von Berg.

Festspiele virtuell - in TV und Radio

Frank Castorfs viel diskutierten "Ring" gibt es im Hörfunk auf BR-Klassik vom 25. bis 28.7. tgl. 18.05 Uhr als bisher unveröffentlichte Aufnahme von 2015 mit Kirill Petrenko.

Der Sender 3sat bietet heute, 25.7. 20.15 Uhr: "Das Rheingold" (Kupfer/Barenboim) und 23 Uhr eine Doku über den eigentlich für 2020 vorgesehenen Wotan Günther Groissböck ("Wotan muss warten").

Den "Ring" von Harry Kupfer und Daniel Barenboim gibt es auch komplett - ab 25.7. "Das Rheingold", ab 26.7., "Die Walküre", ab 27.7., "Siegfried" und ab 28.7. "Götterdämmerung". (Mediathek von 3sat .

Den spektakulären "Ring" von Patrice Chéreau und Pierre Boulez ist als Streaming-Angebot bei BR-Klassik Concert - und am 7.8. ab 20.15 Uhr in der großen "Ring-Nacht" im Free-TV zu sehen.

Heute, 25. Juli, wird es um 16 Uhr bei Richard Wagner daheim, ein kleines aber feines Konzert geben: Im Haus Wahnfried werden Camilla Nylund, Klaus Florian Vogt und Jobst Schneiderat unter Leitung von Christian Thielemann am Wahnfried-Flügel des ersten Hausherrn Opern-Ausschnitte aufführen. Das Konzert wird auf BR-Klassi k und vor Ort als Public Viewing für rund 400 Zuschauer auf Leinwand übertragen. jl

Tränen könnten auch beim Blick auf die Finanzen fließen: 15 Millionen Euro kostet die Corona-Krise die Festspiele allein an Einnahmeverlusten. "Die Festspiele sind traditionell zu etwa 65 Prozent aus Eintrittskarten finanziert. Und diese Einnahmen fehlen natürlich vollkommen", sagt von Berg. "Für dieses Jahr wird der Etat reichen. Aber keiner weiß, was 2021 sein wird. Können wir die Festspiele durchführen? Wenn ja, wie viele Zuschauer dürfen kommen und wie viel Geld können wir einnehmen?"

Aus seiner Sicht kommt auf die Gesellschafter - die Bundesrepublik, den Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth - bei der Planung der künftigen Festspiele ein größeres Risiko zu. "Die Gesellschafter, die derzeit die restlichen 35 Prozent der Kosten tragen, werden entscheiden müssen, ob sie auch bereit sind, im Zweifel mehr zu geben und das Risiko mitzutragen, wenn Festspiele für 2021 geplant werden, aber nicht durchgeführt werden können."

Trotz der Corona-Pandemie planen die Festspiele das kommende Jahr ausgerechnet mit Richard Wagners großen Chor-Opern, wie der kommissarische Geschäftsführer Heinz-Dieter Sense sagt. Sense vertritt die schwer erkrankte Festspielchefin Katharina Wagner bis zu ihrer für den Herbst angekündigten Rückkehr. Geplant sind eine Neuproduktion des "Fliegenden Holländer" mit der ersten Dirigentin in der Bayreuther Geschichte, deren Name noch ein Geheimnis ist, außerdem der "Lohengrin", die "Meistersinger von Nürnberg" und auch der "Tannhäuser", der eigentlich erst 2022 wieder auf dem Spielplan stehen sollte. Parallel dazu sollen dann die Proben für den "Ring des Nibelungen" von Regisseur Valentin Schwarz laufen, der eigentlich in diesem Jahr Premiere feiern sollte und nun auf 2022 verschoben wurde.

"Wir gehen damit natürlich ein gewisses Risiko ein, und unsere Gesellschafter gehen hoffentlich dieses Risiko mit", sagt Sense. Aber: "Kunst braucht immer auch einen gewissen Optimismus." Auch die Stadt Bayreuth gibt sich positiv. "Selbstverständlich hofft die Stadt gemeinsam mit der Festspielleitung und allen Mitwirkenden auf eine "normale" Festspielzeit 2021", sagt ein Sprecher der Stadt auf Anfrage.

Allerdings gelten vor allem Chorgesänge in Zeiten von Corona als besonderes Risiko. "Selbst wenn man es in Bayreuth durchbekäme, dass sich alle im Orchester testen lassen, haben wir immer noch das Problem mit dem Chor: Stichwort Aerosol", sagt auch Musikdirektor Christian Thielemann. "Da muss eine Lösung gefunden werden, sonst kann man Chor-Opern bis auf Weiteres vergessen."

Geschäftsführer von Berg sagt: "Außerdem ist die Frage: Wie realisieren wir Abstandsflächen auf der Bühne zwischen Solisten, Choristen, Statisten und den Technikern?" Und das sei nicht das einzige Problem: "Ein Großteil unseres Publikums gehört aufgrund des Alters zur Risikogruppe. Wenn die Abstandsregeln, die heute gelten, auch in zwölf Monaten noch gelten, wird das alles schwierig. Dann dürften 329 Zuschauer rein in das Festspielhaus - statt knapp 2000.

Sorge bereitet den Geschäftsführern auch die Sanierung des Festspielhauses, deren Gesamtkosten auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt werden. Der erste, bereits abgeschlossene Bauabschnitt hat 30 Millionen Euro gekostet. "Nach Corona werden die Baupreise weiter anziehen und es wird neue Vorschriften geben, die man weiter berücksichtigen muss", sagt Sense. "Je länger man wartet, desto teurer wird die Sanierung." Doch erstmal richtet sich der Blick auf die kommende Spielzeit: "Das Wichtigste ist, dass Festspiele 2021 stattfinden können, und wenn wir dafür an den Plänen etwas ändern müssen, werden wir das tun", sagt Sense.

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