Eine geradlinige Story, packend erzählt: Dieser Tatort setzt ganz auf klassische Spannungsmomente, unerwartete Wendungen und die Unberechenbarkeit einer Ausnahmesituation. Die Kommissarinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel) sowie Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) sind hier weniger als Ermittler gefragt, sondern als Strategen und Psychologen. Eine nicht geplante Geiselnahme, ein psychisch labiler Täter und nicht kalkulierbare Zwischenfälle machen jede Voraussage unmöglich, wie es ausgeht. Diese Folge kann in der Katastrophe enden, oder aber es kann doch noch alles gut werden - bis zum Schluss ist das nicht klar.

Gekonnt verknüpfen die Autoren Stefanie Veith und Michael Comtesse die Spannung um die Geiselnahme in dem Kinderheim mit der Innenansicht einer Familie, die um ihren Zusammenhalt ringt. Vater Louis (sehr stark: Max Riemelt) und seine Frau Anna (Katia Fellin) wollen einen Neuanfang in ihrem Leben, stehen aber durch die zugespitzte Lage mit dem Rücken zur Wand und haben so kaum noch etwas zu verlieren. Wäre da nicht ihr zwölfjähriger Sohn Tim, den das Paar auf keinen Fall verlieren will. Auch dieses Binnenverhältnis von Vater-Mutter-Kind erzählt dieser Fall größtenteils glaubhaft, vor allem die Zerrissenheit des Kindes trägt zur Dramatik des Geschehens bei.

Manchmal tut es einer Geschichte überdies gut, wenn der eigentliche Fall wie nebenbei gelöst wird. Auch das gelingt den Autoren und Regisseur Stephan Lacant eindrucksvoll: Louis ist das Opfer einer Intrige von Schwägerin und Schwager, der Mordfall wiederum eine Eifersuchtstat. Die gesamte Eskalation der Geiselnahme ist demnach eine Kettenreaktion, die durch eine nahe liegende Verdächtigung ausgelöst wurde. Scheinbar belastende Indizien sind aber noch lange kein Beweis für Schuld, auch in dieser Hinsicht spielt dieser Tatort geschickt mit vorschnellen Urteilen. Eine schlüssige und spannende Folge aus Dresden. Dort findet das Team nach dem Ausstieg von Alwara Höfels langsam zusammen und eine eigene Sprache. Weg von aufgesetzten Ost-West- oder Mann-Frau-Klischees hin zu soliden Krimis. Weiter so!