Ob die Franzosen so etwas wie ein Revolutions-Gen in sich tragen? Der Zorn gegen die herrschende Klasse treibt, wie ein Blick in die Geschichte zeigt, unsere Nachbarn jenseits des Rheins häufiger, schneller und radikaler auf die Barrikaden als etwa die Menschen hierzulande. Anlass für die jüngsten Proteste war eine Ökosteuer auf Kraftstoff - angesichts des Klimawandels eigentlich eine vernünftige Maßnahme. Aber für Geringverdiener, die wegen steigender Mieten jeden Euro zweimal umdrehen müssen, hat Klimaschutz eben nicht die erste Priorität. Trotzdem: Müssen gleich Steine fliegen, Geschäfte demoliert, Autos abgefackelt werden? Gewalttätige Krawalle werden auch von den meisten Franzosen verurteilt. Im Grundsatz allerdings stoßen die Anliegen der "Gelbwesten" laut Umfrage bei 72 Prozent der Bürger auf viel Sympathie. Der Politikwissenschaftler Jean-Yves Camus zog gar eine Parallele zum Revolutionsjahr 1789 und meinte, die Bewegung sei zu einer "modernen Version des dritten Standes geworden": "Ihr Feind ist nicht mehr der geborene Adel, sondern der politische Adel."