In der globalen und vernetzten Welt von heute ist das literarische Schreiben an jedem Ort möglich. Orte bieten aber auch Anregung, Inspiration und Auseinandersetzung zum Schreiben, in der Vergangenheit noch eher als in der Gegenwart. So ein Ort war und ist Erfurt, macht Manfred Paasch in seiner Spurensuche deutlich.

Der Autor unternimmt drei literarische Spaziergänge durch Erfurt in seinem Buch, das keine Literaturgeschichte sein will, aber ein plaudernder Spaziergang durch die Literatur. Wir erleben lesend 45 Stationen in der Altstadt, eigentlich noch viel mehr, wo Literaten aller Art, vom Wissenschaftler über Geistliche bis hin zu professionellen Schriftstellern lebten, lernten oder liebten, ihre Spuren hinterließen oder Erfurt literarisch verewigten.

Das Autorenverzeichnis bei Paasch umfasst etwa 110 Namen, beginnend bei Anonyma und Diversa, unbekannte, unsichere und mehrfache Autoren, bis zu Sidonia Hedwig Zäunemann, eine Schriftstellerin des 18. Jahrhunderts. Natürlich kommen auch berühmte Schreiber vor. Die Station Hotel "Erfurter Hof" gegenüber dem Hauptbahnhof bringt hintereinander die Namen der Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann und Heinrich Böll ins Gespräch. Die Bezüge sind akribisch recherchiert und dennoch weit hergeholt. Thomas Mann applaudierte dem Hochstapler Harry Domela und dessen Bestseller "Der falsche Prinz", Bölls "Ansichten eines Clowns" beziehen den Bahnhofsvorplatz der Landeshauptstadt in das Geschehen ein.

Natürlich sind die "üblichen Verdächtigen" der Literaturgeschichte vertreten: Goethe, Schiller, Martin Luther, Wieland, aber auch August Bebel, Otto von Bismarck, Wilhelm Liebknecht, Napoleon Bonaparte, Adam Ries und selbst Tacitus mit seiner "Germania".

Zu den Zeitgenossen des 20./21. Jahrhunderts gehören unter anderem Jürgen Becker, Harald Gerlach, Reinhard Lettau. Hier wird ein Problem deutlich. Paasch musste auswählen und weglassen. Wer weitere Namen sucht, sollte das Online-Autorenverzeichnis Thüringer Schriftsteller der Literarischen Gesellschaft Thüringen nutzen.

Die Form des "plaudernden Spaziergangs durch die Literatur der Stadt" ist teils vergnüglich und erhellend zu lesen, etwa über den Begründer der äthiopischen Sprachwissenschaft Hiob Ludolf. Durch die Ortsbezogenheit werden andererseits die Biografien der jeweiligen Autoren und ihre Bezüge zu Erfurt bruchstückhaft dargestellt. Das ist leider ein Nachteil des Buches.

Oft erzählt Manfred Paasch bekannte Geschichten über Erfurter Orte: Klöster, Kirchen, historische Gebäude. Die Fotos im Buch sind eine Zumutung: Oft menschenleere Ansichten etwa vom Domplatz, unmotiviert mal Schwarz-Weiß, dann wieder in Farbe, der Name des Fotografen wird verschämt verschwiegen. Wer sich für Literaturgeschichte interessiert, sollte zu dem Buch greifen. Als Lektüre zu Fuß durch Erfurt, als Spaziergang, geht das Konzept nicht auf.

Manfred Paasch: "Literarische Spaziergänge durch Erfurt", Suttonverlag Erfurt 2011, 139 Seiten, 14,95 Euro.